PR TB 094 Die Zeitmauer
Prolog
Nachdem Ernst Ellert die Grenzen des fremden Universums gefunden
und fünfmal vergeblich versucht hatte, die Zeitmauer zu
durchdringen, gab er es auf. Ohne Hoffnung, jemals die Erde wieder zu
finden, ließ er sich durch das Meer der Sterne treiben, bis er
eines Tages einen Planeten entdeckte, der eine einsam stehende Sonne
umkreiste. Obwohl er ausgezeichnete Lebensbedingungen auf wies, war
er unbewohnt.
Leer und kahl ruhten die drei Kontinente im flachen, warmen
Urmeer. Nicht einmal eine Humusschicht hatte sich bilden können.
Noch nicht.
Kein noch so kleines Wesen belebte das Meer. Kein Fisch, kein
Krebs, keine Alge. Aber das Wasser war warm und sonnendurchflutet,
fast bis hinab zum Grund. Einmal würde es hier von Kleintieren
wimmeln - in einer Million Jahre vielleicht.
Ellert gefiel diese Welt, aber er fand keine Möglichkeit, in
ihr zu materialisieren. Es gab kein organisches Leben, und das
brauchte er, um seinem Geist einen Körper geben zu können.
Er stieg höher, bis zu den Grenzen des Weltraums. Er war des
ewigen Suchens müde geworden und sehnte sich nach Ruhe, die er
aber nur dann würde finden können, wenn er wieder einen
Körper besaß. Ein Körper schlief, wenn er müde
geworden war; der Geist schlief nie.
Und dann entdeckte er die Spore.
Sie war ein winziges, einzelliges Lebewesen, das der Lichtdruck
der Sterne über unvorstellbare Abgründe hinweg zu dieser
Welt getrieben hatte, die es mit ihrem Gravitationsfeld einfing. Nun
umkreiste sie den Planeten und sank langsam tiefer und tiefer. Eines
Tages würde sie die Oberfläche erreichen und vielleicht auf
einem felsigen Plateau landen. Regen würde fallen und
sie aus ihrem Jahrmillionen dauernden Schlaf reißen. Sie
würde wieder zu leben beginnen, sich teilen und immer wieder
teilen. Sporenkolonien würden entstehen, sich zu einfach
organisierten Vielzellern zusammenschließen und neue
Lebensformen bilden.
In fernster Zukunft, vielleicht war dann dieser namenlose Planet
bewohnt. Tausende verschiedenartiger Lebewesen würden ihn
bevölkern und seiner Oberfläche ein neues Gesicht geben.
Ellert folgte der eingekapselten Spore, die Raum und Zeit besiegt
hatte, um zu dieser Welt zu kommen.
Sie war winzig klein, aber sie war ein Lebewesen. Sie besaß
einen Körper.
Einen Körper!
War es nicht gleichgültig, wie groß der organische
Körper war, in dem er Zuflucht suchte? Hatte er nicht alle Zeit
des Universums zur Verfügung, um selbst die letzten Rätsel
zu lösen? Konnte er nicht warten, Millionen oder auch
hundertmillionen Jahre, bis aus dieser Spore ein intelligentes
Lebewesen geworden war?
Sein eigenes Bewußtsein stand jenseits der Begriffe klein
oder groß, gut oder böse. Er schlüpfte durch die
Schale der Kapsel in das einzellige Lebewesen hinein und wurde eins
mit ihm.
Langsam sanken sie beide tiefer - Körper und Bewußtsein,
hinein in die dichter werdende Atmosphäre des einsamen Planeten,
der erst am Anfang seiner Geschichte stand.
Tage später tauchte die Spore ins Meer, die Kapsel weichte
auf und fiel ab.
Das organische Leben hatte seinen Einzug gehalten.
Der lange Weg begann ...
(Auszug aus Sturz in die Ewigkeit)
1.
Spharo besaß keinen Mond. Diese Tatsache hatte die
Entwicklung der bemannten Raumfahrt um Jahrzehnte hinausgezögert,
denn jeder Start ins Nichts und ohne Ziel bedeutete ein gewaltiges
Risiko.
Rex King war dreißig Jahre alt, als er die zweihundert
Millionen Kilometer entfernte Sohne Helos umkreiste und ohne
Zwischenfall wieder auf dem Heimatplaneten Spharo landete. Das war
vor zehn Jahren geschehen, aber Rex konnte sich noch genau an den Tag
seines größten Triumphes erinnern, als sei es erst gestern
gewesen.
Sein Vater, Jenner King, der Älteste im Rat der
Wissenschaftler, hatte diesen Flug geplant, propagiert und
schließlich gegen die Stimme des mächtigen Faro Pantha
durchgesetzt. Der Erfolg hatte ihm recht gegeben, denn die
wissenschaftlichen Ergebnisse des sensationellen Fluges übertrafen
alle Erwartungen. Die Ausbeute war so gewaltig, daß der Rat der
Wissenschaftler jahrelang damit beschäftigt war, sie zu
sortieren, auszuwerten und zu publizieren.
Zum erstenmal war es gelungen, statt imaginärer Ziele im
Weltraum ein echtes Ziel anzusteuern, sich ihm bis auf wenige
Millionen Kilometer zu nähern, es zu umkreisen und dann - dem
gewaltigen Schwerefeld entfliehend - wieder zurückzukehren. Die
Hitzeschilde hatten gehalten, die Antigravprojektoren ihren Zweck
erfüllt. Die Theorie hatte
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