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2070 - In der Sternenkammer

Titel: 2070 - In der Sternenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Kascha hatte Augenbrauen, auch wenn sie nur schwach ausgeprägt waren, und der leicht erhöhte Höcker über den Augen, der den Kimbanern ein etwas strenges Aussehen verlieh, war wesentlich schwächer ausgeprägt als bei Mohodeh.
    Die Augen seines Ahnherrn waren nicht wimpernlos und auch nicht so schmal und horizontal oval, sondern fast rund. Aber auch sie leuchteten schon seltsam strahlend. Sie waren hellblau, die horizontal länglichen Pupillen schwarzblau. Wir haben uns verändert, dachte Mohodeh. Wir haben noch immer einen schwebenden Gang, wir bewegen uns mit großer Würde und Anmut, was sich auch in unserer eher sparsamen Gestik ausdrückt. Aber wir haben uns verändert. Dann wurde ihm klar, dass er eigentlich erstaunt darüber hätte sein sollen, wie wenig die Kimbaner sich im Lauf von über einer Million Jahren verändert hatten. Bei anderen Spezies vollzogen sich solche Wandlungen während weniger tausend oder zehntausend Jahre.
    Vielleicht ist die Mediane Kultur des Landes Dommrath nichts anderes als die Veräußerlichung der Eigenschaften ihrer Begründer, dachte Mohodeh.
    Langlebigkeit, annähernder evolutionärer Stillstand vielleicht haben wir diese Galaxis auch so gestalten wollen, wie wir selbst sind... Das Hologramm bewegte sich noch immer nicht. Ein kniehoher Tagebuchroboter schwebte in dem Holo neben Zyn Kascha. „Ahnengalerie?" fragte der letzte Kimbaner.
    „Das Programm kann nicht ausgeführt werden", erklang eine angenehm modulierte, weibliche Stimme. „Es ist zu einem Datenverlust gekommen."
    Mohodeh merkte auf. „Datenverlust?"
    „Im Lauf der Zeit hat der Datenträger seine Speicherfähigkeit verloren. Dieser Prozess setzt sich übrigens fort." Die Jahrmillionenfordern ihren Tribut, dachte Mohodeh. Er überlegte, ob er Techniker damit beauftragen sollte, den Datenverlust aufzuhalten und noch vorhandene Daten zu sichern, sah dann aber davon ab. Die Kimbaner sind Vergangenheit, dachte er, und ihre Ahnen sind es auch. „Welches Programm kann noch ausgeführt werden?" fragte er. „Keines. Der Datenverlust betrifft sämtliche Speicher." Wie passend, dachte er. Meine Ahnen gehen gleichzeitig mit mir den Weg des Vergessens.
    Aber er hätte sowieso nicht gewusst, was er mit einem der Ahnen hätte besprechen sollen. „Programm beenden!" forderte er. Seltsamerweise verspürte er lediglich Erleichterung, als er, die Ahnengalerie verließ. Es gab ja noch jemanden, an den er sich um Rat wenden konnte.
    Auf dem Weg zum Weisen vom Einsamen Wohnturm fiel Mohodeh auf, dass sich auch die Tagebuchroboter verändert hatten. Er nahm sie gar nicht mehr bewusst wahr; vier Stück umschwirrten ihn in diesem Augenblick und hielten sämtliche seiner Bewegungen für die Nachwelt fest. Für welche Nachwelt? fragte Mohodeh sich. Für die Ritter, die nach mir kommen und keine Kimbaner sind? Zyn Kaschas Tagebuchroboter war kniehoch gewesen, aber die heutigen Modelle waren nur noch faustgroß. Die Miniaturisierung hatte auch vor ihnen nicht haltgemacht. Vier faustgroße Doppelstabroboter, die leise summend ihrer sinnlosen Tätigkeit nachgingen.
    Er betrat den Wohnturm und ließ sich von dem Antigrav zur obersten Etage tragen. Dort erwartete ihn die zweite Überraschung dieses Tages: Die Räumlichkeiten waren leer. Völlig leer. Die antiken kimbanischen Prozessoren, die uralten Positroniken, die modernen Zentroniken waren genauso verschwunden wie die Großrechner, die die dreifache Redundanz gewährleisteten. Der Weise vom Einsamen Wohnturm war fort, hatte nichts zurückgelassen. Als hätte es ihn nie gegeben. Ein uralter Haj'Markani, der sich immer wieder mit Körpern und künstlichen Gehirnen erneuert hatte.
    Ein Roboter, von dem schon zahlreiche seiner Vorfahren vermutet hatten, dass er längst viel mehr war als nur ein Roboter.
    Eine kurze Nachfrage ergab, dass Haj ein unbemanntes Legionsschiff angefordert hatte und seine sämtlichen Gehirne an Bord hatte bringen lassen.
    Da er ständig Aufträge für die Ritter erledigte, hatte niemand Fragen gestellt. Das Schiff war mit unbekanntem Ziel gestartet und hatte sich seitdem nicht mehr gemeldet. Es waren auch keinerlei Kontakte mit anderen dommrathischen Raumern verzeichnet. Mohodeh Kascha seufzte. Er fragte sich, was Haj mittlerweile wirklich war. Was aus ihm geworden war. Und ob er ihn je wiedersehen würde. Irgendwie kam ihm dieser Abschied, der gar keiner gewesen war, wie ein Omen vor.
    Es fragte sich nur ... ein Omen wofür. Für das, was ihn erwartete? Mohodeh

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