2070 - In der Sternenkammer
Friedensbringerin würde Dommrath den Rücken kehren, denn hier gab es für sie keine Mission. Wie kannst du mir das nur antun? dachte Mohodeh erneut. Ich bleibe einsam zurück, in dem Bewusstsein, meine einzige Chance geopfert zu haben, meine Einsamkeit abzustreifen, und in dem Wissen, dass ich niemals einen Dank zu erwarten haben werde. Wie kannst du mir das nur antun?
Der Abschied Die Nachrichten aus dem Sektor CL URMERTAKH waren seltsam und höchst beunruhigend, ja sogar besorgniserregend. Ein Verband Legionsschiffe, die in jenem Gebiet Patrouille geflogen waren, hatte sich nicht mehr gemeldet. Von den Schiffen selbst war keine Spur mehr aufzufinden. CLURMERTAKH umgab ein Geheimnis. Das war schon von Anfang an so gewesen, von dem Tag an, da die letzten Kimbaner in dieser Galaxis eine neue Heimat gefunden hatten. Mohodeh Kascha schaute auf sein Chronometer. Wir schreiben das Jahr 433.898 Domm, dachte er. Und seit über 433.898 Jahren ist es uns nicht gelungen, das Geheimnis dieses Sektors zu ergründen. Es ist an der Zeit, die Vorgänge in diesem Sektor endgültig aufzuklären. Ein Ritter muss dort höchstpersönlich nach dem Rechten sehen.
Unwillkürlich empfand er Unbehagen. Ich brauche Rat, dachte Mohodeh. Allein bin ich der Lage nicht gewachsen. Er würde wohl oder übel etwas tun müssen, was er in seinem ganzen Leben noch nicht getan hatte. Er war der letzte Kimbaner. Er hätte sich von Geburt an auf seine Ahnen berufen und in ihnen Trost suchen können, aber er wusste, seine Vorfahren würden mit ihm sterben. Er konnte es einfach nicht ertragen, ein Ahnenholo aufzurufen und ihm einzugestehen, dass mit ihm nicht nur das Geschlecht der Kascha, sondern die ganze Spezies der Kimbaner vergehen würde.
Und welche Bedeutung hatte seine Ahnengalerie schon? Keine. Die Geschichte einer Familie über einen - kosmisch gesehen - winzigen Zeitraum hinweg. Mit einem Ende, das seit über Äonen vorbestimmt war und sich nun erfüllte. Eine so bedeutungslose Fußnote in den Annalen des Universums, dass sie die Pangalaktischen Statistiker nicht einmal zu einem Aufblicken veranlassen würde. Er war der letzte Kimbaner. Und nach etwa fünfzehntausend Jahren suchte er nun zum ersten Mal die Ahnengalerie seiner Vorfahren auf.
Wen soll ich erwecken? dachte er. Col Kascha, den Ahnherrn, den Begründer der Ahnentradition und den Pionier der Holoprogrammierung? Oder den legendären Zyn Kascha, der das alles in Gang gesetzt hat? Oder meine Mutter? Meinen Großvater? Meine Urgroßmutter? Meinen Ururgroßvater?
Wen aus der langen Linie der Kascha und Kascha'de, deren Holos allesamt hier gespeichert waren, zurück bis hin zu Col? Mohodeh war der Letzte der Kimbaner. Bislang hatte er sich geweigert, sein Seelenheil und seinen Trost in Hologrammen zu suchen. Sie boten ihm die Vergangenheit, aber nicht die Zukunft. Die konnten sie ihm nicht bieten. Er hatte keine Zukunft mehr.
Es gab keine Kimba'de mehr, keine Kimbanerin, mit der er sich paaren und Nachwuchs zeugen könnte. Er könnte höchstens noch sich selbst klonen und diesen Klon gentechnisch manipulieren, um... Man kann nur den Körper klonen, nicht die Seele, dachte er. Die Ahnengalerie wirkte kalt auf ihn, technisch und steril. Irgendwie stieß sie ihn ab. Aber er blieb und fasste einen Entschluss. „Zyn Kascha", sagte er. Der legendäre Zyn Kascha. Er suchte den entsprechenden Datenspeicher aus, legte ihn in den Holoprojektor und aktivierte das Gerät.
Das Hologramm erschien, ein großer, schlanker Kimbaner mit makellos blauer Haut. Und es rührte sich nicht. Zuerst fiel es Mohodeh Kascha gar nicht auf. Wir haben uns verändert, dachte er erstaunt, als er seinen legendären Vorfahren zum ersten Mal genauer betrachtete. Zyn Kascha besaß lange Gliedmaßen, sechsfingrige Hände und Zehen; die Finger wirkten sehr beweglich und geschickt, ganz wie bei den heutigen Kimbanern. Seine Finger- und Zehennägel schimmerten silbrig. Der Kopf war lang und schmal, ein Oval, ähnlich einem auf der Spitze stehenden Ei. Aber er war mit Haaren bedeckt, während Mohodehs Kopf so glatt und haarlos wie der übrige Körper war.
Mohodeh bemerkte noch weitere Unterschiede. Zyns Mund war größer als der seine, der kaum mehr als einen kleinen, fast quadratischen Schlitz darstellte. Die lange, schmale Nase darüber hob sich stärker ab als bei ihm. Die langen, schmalen Ohrmuscheln hingegen schienen sich kaum verändert zu haben. Sie reichten fast bis zur Schädeloberseite und lagen sehr eng an. Zyn
Weitere Kostenlose Bücher