21 - Die achte Flotte
Doppelsterns, zu dem Flax gehörte, leuchtete ihnen warm auf die Schultern, und das Tischtuch schlug im nach Jod duftenden Seewind hin und her. Von ihrer Terrasse blickten sie über den Hafendamm auf das schwankende Blau und Silber des Humboldt-Meeres.
»Selbst wenn Sie mir sagen dürften, wie wir es geschafft haben, würde ich es wahrscheinlich gar nicht verstehen«, erklärte O’Shaughnessy, und Chandler lachte leise. O’Shaughnessy war im zivilen Teil des manticoranischen Geheimdienstmilieus aufgestiegen und hatte die militärische Denkweise nie wirklich begriffen; er teilte auch nicht die militärische Sichtweise auf viele Probleme. Glücklicherweise war er sich dessen bewusst, und er bemühte sich − nicht immer erfolgreich − um Nachsicht, wenn er mit seinen Kollegen von der Navy zusammenarbeiten musste.
»Ich bin mehr an dem interessiert, was Sie wohl die strategischen Implikationen nennen würden«, fuhr O’Shaughnessy fort, und Chandlers Lächeln verschwand.
»Militärisch?«, fragte er.
»Militärisch und politisch.« O’Shaughnessy zuckte die Achseln. »Ich kenne mich mit der politischen Seite natürlich besser aus als mit der militärischen, aber unter den gegebenen Umständen wäre jeder zusätzliche Einblick, den ich erhalten kann, wertvoll. Ich habe das seltsame Gefühl, dass das ganze Sternenkönigreich … − verzeihen Sie, ich meine natürlich das Sternenimperium − gerade dabei ist, in das sprichwörtliche Kaninchenloch zu fallen.«
»Kaninchenloch?«, fragte Chandler und sah ihn verständnislos an, und O’Shaughnessy schüttelte den Kopf.
»Schon gut. Ein Bezug auf die Literatur Alterdes, nichts Wichtiges. Es heißt nur, dass ich im Moment ganz schön verwirrt bin.«
»Na, da sind Sie kaum allein«, erwiderte Chandler, trank von seinem Bier und lehnte sich in den Sessel zurück.
»Militärisch«, begann er ohne Umschweife, »kann Haven einpacken, falls − und bitte achten Sie auf das Wörtchen ›falls‹ − das Waffensystem, das Herzogin Harrington bei Lovat eingesetzt hat, allgemein zur Verfügung steht. Ich vermute, es handelt sich um eine Weiterentwicklung der Gravimpuls-Telemetrie, die wir bei Geisterreiter verwenden. Wie Admiral Hemphills Werkstatt es genau realisiert hat, und welche Technik verbaut wurde, das kann ich im Moment nicht sagen. Ich bin ein Spion, kein Taktischer Offizier, und im Grunde weiß ich mehr über havenitische Technik als über unsere. Den Feind kennen, Sie wissen schon. Doch schon aus den vorläufigen Berichten geht hervor, dass Herzogin Harrington über eine erheblich erhöhte Treffgenauigkeit mit Mehrstufenraketen auf äußerste Distanz verfügte, und das ist bei ihnen immer das große Problem gewesen.«
O’Shaughnessy nickte, um zu zeigen, dass er Chandlers Überlegungen zustimmte. Trotz seines Mangels an militärischer Erfahrung wäre er nicht Medusas leitender Nachrichtendienstler, ohne wenigstens ansatzweise über die gegenwärtigen Möglichkeiten der Navy im Bilde zu sein.
Erst am Vorabend waren die Depeschen, die Khumalo und Baronin Medusa über die Schlacht von Lovat informiert hatten, im Spindle-System eingetroffen. O’Shaughnessy bezweifelte nicht, dass Chandler noch immer schwer damit beschäftigt war, alles zu verarbeiten, was da drinsteckte, denn ihm selbst ging es nicht anders. Und ohne Zweifel wäre Loretta Shoupe, die − im Gegensatz zu Chandler − Taktikspezialistin war, eine bessere Quelle gewesen, hätte er sich für die Einzelheiten der Gefechtsführung interessiert. Er mochte Shoupe und beabsichtigte tatsächlich, die taktischen Aspekte der Schlacht von Lovat mit ihr zu diskutieren, aber im Augenblick benötigte er eher den großen Überblick als die Einzelheiten. Außerdem war Chandler ebenfalls Geheimdienstexperte. Er besaß wahrscheinlich ein besseres Gefühl für die Einzelheiten, die O’Shaughnessy brauchte, als Shoupe.
»Die Mehrstufenraketen und die Raketengondeln haben das Gleichgewicht zwischen Energie- und Lenkwaffenarmierung auf den Kopf gestellt«, fuhr Chandler fort, »aber wir waren nie in der Lage, uns das System voll zunutze zu machen, weil die Reichweite der Raketen die effektive Reichweite unserer Feuerleitung übertraf. Wenn Admiral Hemphill wirklich eine Möglichkeit gefunden hat, überlichtschnelle Telemetrie zu integrieren, dann ist das nun nicht mehr so, und wenn wir besagte UL-Telemetrie besitzen und die Havies nicht, dann sind sie genauso weit unterlegen wie damals, als Earl White Haven sie in
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