21 - Die achte Flotte
Ausrennen der Energiewaffen waren die Artemis und jeder einzelne andere Schlachtkreuzer in ihrer Begleitung klar, fast augenblicklich auf jeden aggressiven Akt der Solarier zu reagieren.
Natürlich ist dieses »fast augenblicklich« der springende Punkt, überlegte Michelle. Besonders bei diesem winzigen Abstand. Mit ihren Laserclustern könnten sie uns treffen, ganz zu schweigen von den Breitseiten-Energiewaffen! Doch wenn wir Keile und Seitenschilde im Parkorbit aufrechterhielten, würde man es uns als feindseligen Akt auslegen, und das zurecht. Aber wenn nun jemand entscheidet, auf den Feuerknopf zu drücken, schießt er uns zusammen, ehe wir reagieren können. Na ja, trotzdem ist es der Gedanke, der zählt.
»Wir werden nichts tun, was man in irgendeiner Weise als Provokation auslegen könnte, Cindy«, fuhr sie laut fort und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Stabschefin.
Nicht dass Lecter es nicht bereits genau gewusst hätte, doch Michelle hatte schon vor langer Zeit gelernt, dass es weit besser war, etwas absolut klarzustellen, als dann auf die harte Tour herausfinden zu müssen, dass jemand etwas doch nicht ganz so genau gewusst hatte − oder etwa gar nicht.
Als Lecter nickte, fuhr Michelle fort: »Gleichzeitig will ich uns von den Sollys keinen ›Donnerkeil‹ unterschieben lassen, während wir hier ahnungslos herumsitzen. Deshalb helfen Sie bitte Dominica bei der Beaufsichtigung der OPZ. Wenn wir eine Statusänderung an Bord irgendeines solarischen Schiffes auffangen, möchte ich davon hören, ehe sie es selber wissen.«
»Jawohl, Ma’am.«
»Gut. Und jetzt« − Michelle holte tief Luft und wandte sich Edwards zu − »ist es wohl Zeit, dass ich meine Pflicht tue und mich unseren Gastgebern persönlich vorstelle. Und natürlich« − sie lächelte ernst − »den anderen Gästen in dieser hübschen kleinen Ecke des Universums. Bitte geben Sie mir den monicanischen Hafenadmiral, Bill.«
»Jawohl, Ma’am.«
Das Gespräch mit Konteradmiral Jane Garcia, dem befehlshabenden Offizier der monicanischen Raumverkehrsleitung, verlief besser als Michelle erwartet hatte.
Garcia versuchte nicht einmal zu heucheln, sie sei glücklich, Michelles Schlachtkreuzer zu sehen, und das konnte Michelle ihr nicht verübeln. Als ehemalige Kriegsgefangene verstand sie besser als viele manticoranische Offiziere, wie bitter die Pille gewesen sein musste, der Vernichtung der so gut wie gesamten monicanischen Navy zusehen zu müssen. Ohne Zweifel waren zahlreiche Freunde Garcias − und sehr wahrscheinlich auch Familienmitglieder, wenn man bedachte, dass bei den meisten Sternnationen der Militärdienst sich in bestimmten Familien häufte − dabei getötet worden. Und so sehr Monica in Manticores Augen ein korruptes, heimtückisches Werkzeug der Grenzsicherheit war, war und blieb die Republik Garcias Sternnation. Die schimpfliche Kapitulation und die Art, in der Manticore später die Friedensbedingungen diktiert hatte, konnten Garcias Erbitterung nur verschlimmert haben.
Dennoch hatte sie sich korrekt und professionell benommen. Sie hatte Michelle nicht im Monica-System willkommen geheißen, sich davon abgesehen aber überraschend höflich benommen. Als Michelle sie bat, President Tyler ihre Empfehlungen auszusprechen, hatte Garcia ganz leicht die Lippen zusammengekniffen, aber dann fast unbefangen genickt und Michelle gefragt, ob eines ihrer Schiffe wartungsbedürftig sei.
Nachdem das erledigt war, hatte Michelle leider keinen weiteren Vorwand, den befehlshabenden solarischen Offizier nicht zu kontaktieren. Immerhin hatte Garcia den Namen des Sollys fallen gelassen.
»Also gut, Bill«, seufzte Michelle. »Rufen Sie Admiral Byngs Flaggschiff. Ich nehme an −«
»Einen Augenblick, Ma’am«, unterbrach Cynthia Lecter sie respektvoll.
Michelle hielt inne und sah ihre Stabschefin an, eine Augenbraue hochgezogen, und Lecter wies mit einer Kopfbewegung auf das Display an ihrer Befehlsstation.
»Ich habe mir gerade die ONI-Akten angesehen, Ma’am«, sagte sie. »Ich habe Admiral Byng eingegeben, und es sieht so aus, als hätte ich einen Volltreffer gelandet.«
»Wirklich?«
Michelle blickte überrascht auf. Das Office of Naval Intelligence gab sich größte Mühe, um die höheren Offiziere anderer Raumstreitkräfte im Auge zu behalten, doch seine Akten über die SLN waren dünner als die über etwa die Republik Haven oder das Andermanische Reich. Obschon manticoranische Handelsschiffe tief ins Ligagebiet
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