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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erteilen hätte.
    „Du, Effendi, bist der Muschir, der Seraskier Pascha (Marschall, Oberfeldherr) unsrer Armee“, sagte er, „und ich bin der Ferik Pascha (Divisionsgeneral). Dir haben alle zu gehorchen, mir aber auch meine sechzig Mann. Wir werden gern kämpfen und sind bereit, für dich in jedes brennende Feuer zu springen. Sag mir nur, was ich tun und wie ich mich verhalten soll!“
    „Zunächst haben wir so schnell und so unbemerkt wie möglich nach dem Birs Nimrud zu kommen“, antwortete ich ihm.
    „Unbemerkt? Da ist es geraten, von diesem Weg abzuweichen.“
    „Wohl; aber dann kommen wir auf schlechtes Terrain und bringen die Beine der Pferde in Gefahr.“
    „O nein! Du mußt bedenken, daß hier unser Exerzierfeld ist und wir also jeden Schrittbreit kennen. Wenn die Feinde an einen Angriff denken, so erwarten sie ihn von der Stadt her. Nicht?“
    „Allerdings.“
    „Sie werden also ihre Wachsamkeit nach dieser Richtung lenken, und so müssen wir von einer andern Seite kommen. Wir setzen dadurch eine Zeit von höchstens fünf Minuten zu. Ist es dir recht, daß wir einen kleinen Bogen schlagen?“
    „Ja.“
    „So komm, und verlaß dich auf mich! Deine Hengste werden auch nicht ein einzigesmal ins Stolpern kommen. Wir reiten wie auf einer ebenen Sufra (Tisch).“
    Er lenkte nach rechts vom Weg ab, und ich muß sagen, daß er in Beziehung auf die Glattheit des Rittes nicht zuviel gesagt hatte. Dabei ließ er das Gespräch nicht ausgehen; er fuhr fort:
    „Ich denke an das alte Sprichwort, welches sagt: Das Schicksal wendet die Ssuderah (Jacke) des Menschen täglich dreimal um, früh einmal, mittags noch einmal und des Abends wieder einmal. Die deinige aber scheint es noch öfter umzuwenden, nämlich des Nachts auch zweimal.“
    „Wieso?“
    „Weil du in dieser Nacht gefangen warst und nun selbst Gefangene machen willst. So warst du auch mein Gefangener und doch nach kurzer Zeit schon wieder frei, und zwar ohne einen Menschen um die Erlaubnis dazu zu fragen!“
    „Ein Sprichwort in meinem Vaterlande sagt: Wer viel fragt, der geht viel irre; hier in diesem Falle würde es heißen müssen: Wer viel fragt, der kommt nicht über die Mauer.“
    „Ja, dieser Sprung über die Mauer! Du hättest die Augen sehen sollen, welche euch mit den Blicken folgten, als ihr, wie auf Gomelastik sitzend, darüber hinwegflogt! So einen Sprung hätte keiner von uns gewagt! Wir haben keine schlechten Pferde beim Regiment, aber keine guten Reiter. Der freie Bedawi reitet viel, viel besser als wir. Wenn ich nur ein Bataillon hätte; ein Regiment brauchte es gar nicht zu sein; wie sollten meine Leute reiten lernen! Die müßten fliegen wie die Falken! Aber so weit bringe ich es in meinem ganzen Leben nicht. Das Kismet ist mir nie wohlgesinnt gewesen!“
    „Fühlst du dich nicht glücklich?“
    „Wie kann man glücklich sein, wenn man fünf Monate lang keine Löhnung bekommt? Der Padischah ist der größte und berühmteste, der reichste und weiseste Herrscher aller Reiche; aber – du wirst mir nicht das Leid antun, diese meine Worte zu verraten! – sein Reichtum bleibt bei ihm; er kommt nicht zu uns, und seine Weisheit reicht über den ganzen Erdkreis, aber nicht bis in unsere Taschen.“
    „Wovon lebst du da, wenn die Löhnung so lange Zeit ausbleibt?“
    „Ich lebe eigentlich gar nicht, sondern ich hungere, denn ich habe mein Harem und meine Kinder lieb und gebe ihnen die Brotkrumen, welche ich von den Teppichen meiner hohen Vorgesetzten auflese. Ich will gern hungern; sie aber sollen es nicht!“
    „Deine Vorgesetzten haben also Brot?“
    „Oh, nicht bloß Brot, sondern auch Fleisch und überhaupt alles, was ihr Herz begehrt! Du mußt nämlich wissen, daß der Fluß der Löhnung von oben herunterkommt, aber nur bis zum Bimbaschi geht; da hört er gewöhnlich auf, und nur dann, wenn das Regiment revoltiert, wird eine kleine Schleuse geöffnet, die sich aber sehr bald wieder verstopft. Ja, wenn ich es einmal bis zum Bimbaschi brächte, so wäre mir und meinem Haus, dem mein ganzes Herz gehört, für immer geholfen!“
    „Ist dieses dein Haus groß?“
    „Ich habe vier Söhne und drei Töchter; ich habe meine eigene Mutter und auch die Mutter meines Harems; das sind elf Personen, die von der kargen Löhnung, die ich nicht bekomme, leben sollen. Allah gebe baldige Besserung!“
    „Er wird dir helfen, Amuhd Mahuli. Wenn ich heut mit dir zufrieden bin, werde ich mit dem Dscheneral sprechen und ihn bitten, dafür zu

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