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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bemerken, daß der Segen Marah Durimehs an ihm vergeblich gewesen ist. Seine Schicksale sind allbekannt, und so will ich nur kurz sagen, daß er nach ruhmvoller Laufbahn – das Wort Ruhm im kurdischen Sinne gemeint – im Zelt des persischen Prinzen Sill-i-Sultan hinterrücks ermordet und dann von seinem Weib, das sich an die Spitze der Hamawandi-Kurden stellte, blutig gerächt worden ist. Doch gehört das nicht hierher.
    Wir ritten einen Teil desselben Weges, den wir gekommen waren, wieder zurück und nahmen dann von Jamir und seinen Leuten Abschied, worauf wir uns nördlich wandten und kurz vor Abend auf einer hochgelegenen Waldblöße Lager machten.
    Dieser Abend und fast auch die ganze Nacht war dem Gespräch mit Marah Durimeh gewidmet. Sie ließ mich noch tiefer in ihr Herz und in ihr Leben schauen als früher. Sie nahm mich mit empor auf die Zinne ihres Glaubens und ihrer Zuversicht; sie richtete mein Auge noch höher hinauf zum Ziel ihres seelischen Strebens; es waren wichtige, ja es waren heilige Stunden, die ich nie im Leben vergessen werde. Nur über das eine schwieg sie, was ich doch so gern erfahren hätte. Warum hatte man sie festgenommen und nach dem Kulluk geschafft? Warum hatte sie jetzt noch weiter gebracht werden sollen, ‚in eine Ferne, wo der Tod und nicht das Leben ist‘? Ich wollte nicht zudringlich sein und fragte also nicht direkt; aber sooft ich diesen meinen Wunsch auch nur von weitem andeutete, brach sie in einer Weise ab, welche mir deutlich sagte, daß sie über diesen Punkt nicht sprechen wolle. Endlich aber, als es so spät geworden war, daß die Sterne zu erbleichen begannen, deutete sie nach ihnen aufwärts und sagte:
    „So wie die da oben schwindet auch unser Leben hin, doch nur, um für das Jenseits aufzugehen. Ich sterbe bald, doch jetzt noch nicht, denn ehe ich von hinnen scheide, muß der Zweck meines Daseins erreicht worden sein. Du wirst ihn kennenlernen, wenn du wieder zu mir kommst. Heute nehme ich nicht wie damals Abschied von dir für das ganze Leben, denn du mußt und du wirst zu mir zurückkehren, weil du mein Sohn, mein Schüler bist, der mich verstehen und dann sterben sehen soll. Ich weiß gar wohl, was du zu wissen begehrst; aber es hat sich gut gefügt, daß du nichts darüber hörtest, denn es frommt dir nicht, es schon jetzt zu erfahren. Dann aber, wenn du wieder bei mir bist, wird dir klar werden, was dir heute noch verborgen bleibt. Aber eins will ich doch tun! Ich weiß, du reist nicht in der Weise, wie andere Menschen reisen; darum geschieht dir vieles, was andern nicht geschieht. Du gehst nach Persien und bedarfst des Schutzes; ich sehe das von weitem. Ich habe dir schon damals ein Amulett mitgegeben, und ich denke, daß du es geöffnet hast – – –“
    „Ja, ich habe es geöffnet und – – –“
    „Bitte, sprich nicht darüber, kein Wort!“ unterbrach sie mich. „Wenn es dir genützt hat, freut es mich, doch war es nur irdisches Gut, nichts Höheres. Ich werde dir auch heut einen Talisman geben, welcher dir Schutz gewährt in Gefahren, die du als solche, welche ich meine, erkennen wirst, obgleich ich sie dir heut nicht bezeichnen kann. Du hast ein Notizbuch. Öffne eine leere Seite und gib mir den Stift zum Schreiben!“
    Sie schrieb in der Dunkelheit, gab mir dann Buch und Stift zurück und sagte:
    „Wenn du dich in einer Not befindest, von welcher du glaubst, daß sie sich auf diese Schrift bezieht, so sprich diese Worte aus oder zeige sie! Sie enthalten ein Geheimnis, welches ich dir jetzt verschweige, weil du es erst später erfahren darfst. Es ist das Geheimnis meines stillen, segensreichen Wirkens, das Geheimnis meines Lebens. – – – Und nun sage ich dir ‚Gute Nacht!‘ Es kommt die Ermüdung, der ich gehorchen muß, solange ich noch hier weile; das Jenseits aber kennt weder Müdigkeit noch Schlaf! –“
    In Beziehung auf unsern Abschied fasse ich mich kurz. Die Sonne stand schon hoch, als wir uns die Hände reichten; dann zogen sie fort, dem Norden zu. Wir hatten die entgegengesetzte Richtung, eine für uns gefährliche und beschwerliche, weil wir die entlegensten Gegenden wählen mußten, um ja nicht etwa mit Dawuhdijehs zusammenzutreffen. Doch erreichten wir glücklich unser Ziel. – – –

KARL MAY

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