21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Sandschaki ist ein Verräter. Das Schreiben ist ein förmlicher Kontrakt, den er unterzeichnen sollte, und gibt sogar die Summen an, die er schon erhalten hat und noch bekommen soll. Mehr darf ich Ihnen nicht sagen. Ich muß mich seiner Person so versichern, wie es die Größe meiner Verantwortung erfordert, und das Gefängnis also selbst in Augenschein nehmen. Werden Sie dafür sorgen können, daß während meiner kurzen Abwesenheit nichts geschieht, was ich vermeiden muß?“
„Gewiß. Sie brauchen keine Sorge zu haben, Exzellenz. Hierbei möchte ich fragen, was Sie betreffs der drei Perser hier beschlossen haben?“
„Sie werden auch in Ketten gelegt. Der eine, den Sie Pädär nennen, hat den Brief aus Teheran gebracht; der Säfir ist der eigentliche Unterhändler und kennt den ganzen Inhalt dieses Schreibens.“
„Was sind das doch für Menschen! Sie betrügen hier und dort, auf beiden Seiten, ihre Auftraggeber, deren Vertraute sie doch sind. Es liegt uns eigentlich die Frage nahe, ob der Kammerherr, der als persischer Beamter doch nahe an der Quelle dieser Anzettelungen wohnt, nicht auch wenigstens etwas von ihnen weiß.“
„Ich habe auch schon daran gedacht. Welcher Meinung sind Sie darüber?“
„Er kommt mir harmlos vor.“
„Mir auch; aber dennoch werde ich dafür sorgen, daß er Hilleh nicht eher verläßt, als bis ich überzeugt, vollständig überzeugt von dieser seiner Unschädlichkeit bin. Also bitte, sorgen Sie dafür, daß, solange ich fort bin, nichts vorkommt, was ich nicht erlauben darf!“
Er entfernte sich mit dem Kol Agasi. Kaum war er hinaus, so machte der Sandschaki abermals einen angestrengten Versuch, aus der Ecke fortzukommen, und sprudelte denen, die ihn daran hinderten, die Drohung zu:
„Macht Platz! Wer mich zurückhält, wird ohne Nachsicht und auf das allerstrengste bestraft. Ich bin es, der hier zu befehlen hat, kein anderer Mensch! Meine Beschwerden werden nach Bagdad und sogar bis nach Stambul gehen. Ich lasse euch absetzen und einsperren! Hört ihr es? Oder fürchtet ihr euch vor dem Christenhund dort? Dieser Ausbund von Schlechtigkeit und Niedertracht – – –“
Da stand ich aber schon vor ihm und unterbrach ihn durch die Worte:
„Du meinst mich?“
„Ja, dich!“ zischte er mich an.
„Und wie wagtest du mich zu nennen?“
„Einen Christenhund, einen – – –“
Er konnte den Satz nicht aussprechen, denn er bekam von mir einen Kopfhieb, der ihn besinnungslos niederwarf. Ich zog ihm das Machrami (Taschentuch) aus dem Gürtel und band ihm damit die Hände auf den Rücken.
„So; jetzt belästigt er uns nicht mehr. Für das weitere wird der Syndandschi sorgen!“
„Und vielleicht dann gar der Dschellad (Henker) oder, zur Schonung der von ihm bekleideten Würde, die seidene Schnur“, fügte der Mir Alai meinen Worten hinzu. „Ich sehe, Effendi, daß deine Faustschläge jetzt noch ebenso kräftig sind wie früher. Du ersparst mit ihnen die Fesseln, welche sonst notwendig wären, die Hände und Füße der Gefangenen unschädlich zu machen. Dort wäre eigentlich auch ein solcher Hieb gut angebracht.“
Er deutete auf den Pädär, welcher, noch immer von den Soldaten niedergehalten, die Abwesenheit des Generals zu erneutem Widerstand benutzen zu müssen glaubte. Ich ließ ihn mit seinem eigenen Gürtel binden, und da der Korporal einmal bei dieser Arbeit war, so vollzog er sie, ohne daß ich ihn dazu aufzufordern brauchte, auch an den beiden andern Persern, welche nicht den Mut besaßen, auch nur den geringsten Einspruch dagegen zu erheben.
Die passivste Rolle hatte während der ganzen Zeit der Pischkhidmät Baschi gespielt. Immer bewegungslos wie eine Statue an die Wand gelehnt, hatte er kein Wort gesagt und nur durch seine Augen verraten, daß er an den sich abspielenden Szenen doch eigentlich auch nicht ganz unbeteiligt sei. Jetzt näherte er sich mir und sagte sein erstes Wort:
„Effendi, diese Menschen sind Verbrecher; ich gebe das zu. Sie müssen bestraft werden, auch das gebe ich zu. Aber hat der General das Recht, sie festzuhalten und einzusperren?“
„Gewiß!“ antwortete ich.
„Obgleich sie persische Untertanen sind?“
„Höre, sei vorsichtig, o Pischkhidmät Baschi! Das Recht des Generals ist gar nicht zu bestreiten, denn kein Konsul oder sonstiger Vertreter einer fremden Regierung kann etwas gegen die Arretur eines Verbrechers seiner Nationalität haben. Niemand kann zum Beispiel verlangen, daß man einen Mörder laufen
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