21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
hastig:
„Pädär-i-Baharat? Was weißt du von ihm? Woher kennst du diesen Namen? Wer hat ihn dir gesagt? Schon dieser eine Umstand, daß du, ein Fremder und Christ, diesen Namen gehört hast, besiegelt deinen Tod!“
„Ich wiederhole, daß du dich immerfort mit mir verwechselst. Nicht mein, sondern dein Tod ist besiegelt. Du bist durchschaut worden; man weiß, daß du der ‚Säfir‘ bist, von dem – – –“
„Säfir!“ unterbrach er mich, „Mensch, das ist für dich ein neuer Grund zu sterben! Wenn ich dein Ende nicht schon beschlossen hätte, würde ich jetzt bestimmen, daß du diesen Ort nur als Leiche verlassen darfst!“
„Bilde dir nichts ein! Du hast gar keine Macht über mich. Ich werde den Birs Nimrud gesund und frei verlassen und dich als meinen Gefangenen nach Hilleh bringen, um dich zum Pädär und seinen beiden Gefährten sperren zu lassen, die dort an Ketten gelegt worden sind.“
„Ich – – dein – – – Gefangener – – nach Hilleh – – – an – Ketten – –!“ rief er, mich wie einen Geist anstarrend, aus. „Es ist wirklich so, wie ich gesagt habe; du bist vollständig übergeschnappt!“
„So sagt dir jetzt ein Übergeschnappter, daß du den Pädär in eine Falle geschickt hast, in welcher er gefangen worden ist. Kein Mensch hat ihm dort das geglaubt, was zu sagen du ihm anbefohlen hast.“
„Was – was hat man ihm nicht geglaubt?“
„Daß ich und der Haddedihn die Karwan-i-Pischkhidmät Baschi überfallen haben und daß du uns nachgeschlichen bist, um unser Versteck zu erfahren, auch das nicht, daß ich die Leiche des Pischkhidmät Baschi mitgenommen habe, um sie ins Wasser zu werfen.“
Er wollte hierauf etwas sagen, brachte aber vor Bestürzung kein Wort hervor. Da kam mir ein Gedanke, diese seine Verwirrung zur Entdeckung des auf die ‚Rose von Schiras‘ bezüglichen Geheimnisses auszunützen, und ich fuhr fort:
„Du siehst, daß eure Heimlichkeiten öffentlich geworden sind. Sogar hinter eure berühmte ‚Gul-i-Schiraz‘ ist man gekommen.“
Da fuhr er wie ein Raubtier auf mich los und zu mir nieder, faßte mich an beiden Schultern, schüttelte mich und fauchte mich wildkatzig an:
„Die Gul-i-Schiraz? Die Biwä-i-Hakim (Witwe des Herrschers), die Schems-i-Dschamal (Sonne der Schönheit), unsere Sitarä-i-Dschira (Stern der Begeisterung), die so tief im Verborgenen wohnt, daß selbst ich sie nur dreimal gesehen habe? Unsere schöne, unsere herrliche Königin, vor der wir alle unsere Häupter und unsere Knie beugen? Sie, deren Blick die Herzen bezaubert und deren Stimme zu den schwersten, den verwegensten Taten begeistert, sie willst du kennen, du elender, armseliger Wurm? Ich erwürge, ich erdrossele dich!“
Er griff mir nach der Gurgel. Schon wollte ich meine Hände schnell aus der Schlinge ziehen, um ihn abzuwehren, da fiel mir ein anderes Mittel ein, welches wahrscheinlich dieselbe Wirkung hatte und ihn vielleicht zu weiteren Unvorsichtigkeiten veranlaßte, denn er befand sich in einer Aufregung, die ihn hinderte, zu überlegen, was er sagte.
„Rühr mich nicht an!“ herrschte ich ihn an. „Ich bin auch ein Sill!“
Er fuhr, als hätte er einen kräftigen Stoß erhalten, von mir zurück, riß die Augen weit auf und fragte:
„Du – – du – – ein Sill?!“
„Sogar ein Särtip-i-Sillan (Oberster der Sills)!“
„Ein Särtip? Mensch, entweder hast du den Teufel, der dir unsere Geheimnisse verraten hat, oder du bist wirklich ein Sill! Dann gibst du dich aber nur für einen Christen aus und bist eigentlich ein rechtgläubiger Schiit.“
„Wenn meine Hände nicht gebunden wären, so könnte ich meinen Ring aus der Tasche nehmen und dir damit beweisen, wer und was ich bin!“
„Er – er hat – – – hat auch einen Ring!“ rief er in immer wachsender Erregung aus. „Wenn das wahr ist, so kann ich dich prüfen. Ich brauche dich nur zu fragen nach dem Namen unseres höchsten Gebieters, nach Dscha – – –“
Er hielt nach dieser einen Silbe inne, denn er sah ein, daß er im Begriff stehe, den größten Verrat, der einem Sill möglich war, zu begehen. Die fehlende Silbe des Namens war leicht zu erraten, und da ich an jenem Abend am Tigris dem Pädär abgelauscht hatte, wie dieser ‚höchste Gebieter‘ genannt wurde, so ergänzte ich den unterbrochenen Satz:
„Du meinst Dschafar, den Ämir-i-Sillan (Fürst der Schatten)?“
„Ja, ja, den meine ich! Du kennst ihn! Du weißt alles, alles,
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