21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
höchstens ein klein wenig mit dem Messer geritzt.“
„Wo sind diese beiden schrecklichen Menschen?“
„Sie liegen hier, leblos von meinen Hieben. Doch sprich jetzt nicht! Noch wissen wir nicht gewiß, ob der Schuß ungehört geblieben ist.“
Wir warteten noch einige Zeit; es kam niemand, und so hielt ich es für erlaubt, ein Licht anzubrennen. Die Lampe konnte nicht wieder angezündet werden, weil sie zerbrochen und ihr Inhalt verschüttet war.
„Baräkullah – Gott sei gepriesen!“ seufzte der Perser. „Ich sehe, daß du Sieger geblieben bist. Mein Herz war starr vor Angst, als der Säfir wie ein hungriger Tiger vor dir stand und sich dann auf dich stürzte, um dich mit seinen Krallen zu erdrosseln! Nie in meinem ganzen Leben habe ich so gezittert und gebebt wie da, denn wenn er dich getötet hätte, so wäre auch ich verloren gewesen. Ich bin zwar ein sehr erfahrener und mutiger Krieger; aber wenn man gebunden ist, kann alle Tapferkeit nichts nützen. Wann machst du mich endlich wieder von den Fesseln frei?“
„Sofort. Wir werden sie zur Abwechslung nun diesen beiden anlegen.“
Ich band ihn los. Er sprang auf und frohlockte:
„Allah sei gepriesen, daß diese große, entsetzliche Gefahr vorüber ist! Ich bin derselben zwar mit großer Kühnheit entgegengegangen, doch – – –“
„Schrei nicht so!“ unterbrach ich ihn. „Von deiner großen Kühnheit weiß ich nichts, und wenn du wirklich meinst, daß die Gefahr vorüber sei, so irrst du dich. Wir haben nur erst diese zwei hier fest und es noch mit dreiunddreißig andern zu tun.“
„Allah bewahre uns! Noch dreiunddreißig! Was wird das für ein Ende nehmen!“
Die Angst fuhr ihm abermals in die Glieder, was ihn veranlaßte, sich niederzusetzen; ich aber legte dem Säfir und seinem Gesellen die Stricke so fest an, wie es unsere Sicherheit erforderte, und war damit eben fertig, als ich die laut rufende Stimme Halefs hörte:
„Sihdi, Sihdi! Es wurde geschossen. Bist du da?“
„Ja, Halef!“ antwortete ich ebenso laut.
„Ich stecke hier. Kommst du bald?“
„Gleich!“
„Wenn die Halunken doch meine Peitsche mitgebracht hätten! Hast du sie vielleicht gesehen?“
Ich konnte nicht anders, ich mußte trotz des Ernstes der Situation lachen. Kaum erfuhr der gute Hadschi, daß er gerettet sei, so war die heißgeliebte Peitsche der erste Gegenstand, an den er dachte! Ich bedeutete dem Perser, still zu bleiben, nahm das Licht und ging hinüber zu dem mich Erwartenden. Als er mich eintreten sah, sagte er:
„Der Säfir wollte mir weismachen, daß du sein Gefangener seist; ich aber glaubte es ihm natürlich nicht und habe ihm eine innige Begegnung mit der Eindringlichkeit meiner Karbatsch versprochen.“
„Das habe ich gehört. Er hat nicht gelogen; ich war wirklich gefangen; nun aber bin ich frei und habe ihn fester als er mich vorher. Ich werde dir das nachher erzählen; jetzt führe ich dich zu ihm.“
„So gib mir erst den Gebrauch meiner Glieder wieder, denn so, wie ich daliege, würde es mir unmöglich sein, mich deiner freundlichen Leitung anzuvertrauen!“
Man hatte ihn in einen Teppich gerollt und diesen dann mit Stricken umwunden. Nur sein Kopf sah aus dem Bündel hervor. Ich holte ihn heraus. Kaum stand er auf den Beinen, so erhob er den Arm, hielt die Finger zum Schwur in die Höhe und sprach:
„So wahr ich hier endlich aus der Haut dieses Teppichs gefahren bin, so wahr werde ich mein Wort halten und den Säfir meine Peitsche kosten lassen! Man hat sie mir genommen; aber ich suche sie; ich werde sie finden, und wenn man sie am Ende der Welt oder noch weit darüber hinaus versteckt hätte! Du liebst die Sprache meiner Karbatsch nicht, Sihdi; diesesmal aber kannst du dagegen sagen und dagegen machen, was du willst, ich halte mein Wort!“
„Da will ich dich beruhigen, lieber Halef. Heut bin ich vollständig mit dir einverstanden. Als ich hörte, daß er dir mit Prügeln drohte und du ihm deine Peitsche versprachst, stand es bei mir fest, daß er ihr nicht entgehen solle.“
„So sei diese deine Einsicht und die Tiefe deines beglückenden Verständnisses gesegnet, so weit die Menschen auf der Erde wohnen! Jetzt aber komm; führ mich zu ihm! Ich darf keinen Augenblick länger zögern, ihm die ersehnte Glückseligkeit meines Grußes zu bringen! Du kannst es gar nicht ahnen, Effendi, in welch heißer Erwartung mir sein Herz entgegenschlägt!“
Er nahm mich bei der Hand und zog mich fort. Ich erkannte, daß ich
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