21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
hinaus. Halef führte nun unsere Pferde an das Wasser, und während er ihnen zu trinken gab, blinzelte er mich pfiffig-lustig an und sagte:
„Allah macht Köpfe hell und Köpfe dunkel; der deinige strahlte wie die Sonne am Himmel; die ihrigen aber waren umnachtet mit der Finsternis des Unverstandes, so daß ich in die Tiefen ihrer Klugheit wie in einen dunklen Brunnen schaute, in dem kein Tropfen Wasser zu finden ist. Dein Auge hat sie durchschaut, wie die Sonne durch die Scheiben des Glases blickt; sie hingegen halten dich für einen andern Menschen, von dem wir mit Überzeugung sagen können, daß er weder er ist noch du bist. Sie haben sich einer so albernen Vermischung dreier Persönlichkeiten schuldig gemacht, daß selbst ich sie kaum wieder auseinander bringe, der ich doch Hadschi Halef Omar, der berühmte Oberscheik der Haddedihn bin vom großen Stamm der Schammar!“
„Wird dir dieses Auseinanderbringen denn wirklich gar so schwer?“ fragte ich lachend.
„Leicht ist es nicht, Sihdi, denn ich habe nicht alles verstanden, weil von drei Personen und vier Ortschaften die Rede war, die ich wieder vermischte. Während von diesen Personen gesprochen wurde, ritt meine Seele zwischen Bagdad, Madaïn, Kut el Amara und Hilleh immer hin und her, ohne Einsicht in die Tiefen der Weisheit zu finden, welche über deine Lippen floß.“
„Es handelt sich nicht um drei, sondern nur um zwei Personen.“
„Nein, um drei. Du, der Säfir und der Pädär-i-Baharat; ihr seid doch drei Personen; das wirst du mir nicht bestreiten wollen. Diese Leute wurden so durch- und ineinander gemengt, daß ich jetzt nicht weiß, ob du der Pädär oder dieser der Säfir oder der Säfir du oder du der Säfir oder aber der Säfir der Pädär sein soll. Mit wem bist du denn eigentlich verwechselt worden, und wie muß ich es anfangen, dich mit ihm, und euch dann mit dem dritten auseinanderzubringen?“
„Der Sill hat mich für den Pädär-i-Baharat gehalten; das mußt du doch verstanden haben!“
„Mit dem Pädär-i-Baharat? Wenn er das getan hat, so konnte es nicht verstanden werden, denn es war ja gar kein Verstand dabei! Wer dich, den berühmten Emir Hadschi Kara Ben Nemsi Effendi, für diesen Schurken hält, der verdient durchgepeitscht zu werden. Hätte ich diese Frechheit des Sill durchschaut, so wäre meiner Karbatsch eine Arbeit geworden, von welcher der Rücken dieses Menschen noch lange hätte erzählen können! Aber nun du mir das gesagt hast, begreife ich alles andere: Der Säfir, dieser Feind unseres guten Bimbaschi, befindet sich in Hilleh?“
„In der Nähe von Hilleh. Sein Versteck liegt in einem Tamariskengebüsch zwei Stunden oberhalb der Stadt. Er ist dort wohlgeborgen, weil man außer der Beschwerlichkeit des Weges auch die Geister der Erschlagenen scheut, welche dort umgehen.“
„Gut, sehr gut! Das gefällt mir außerordentlich! Ich werde auch dort umgehen und ihm als Geist erscheinen! Und ich werde einen andern Geist mitnehmen, der aus der Haut eines Nilpferds gefertigt worden ist! Und dieser Geist wird auch umgehen, sehr umgehen, außerordentlich kräftig umgehen, aber nicht im Wasser oder am Ufer, sondern auf seinem Rücken! Er wird so lange auf diesem Rücken umgehen, bis der Säfir selbst auch ein Geist geworden ist, nämlich ein Geist der Wehmut und der Klage über die Hiebe, die er von mir bekommen hat, weil er unsern lieben Bimbaschi um sein Geld und seine Stellung brachte! Was wird der Schurke dort in seinem Versteck wohl treiben?“
„Du hast ja gehört, daß er auf Leichen wartet.“
„Die gönne ich ihm; ich wünsche, daß er sie bekommt! Mag er sie verzehren in jeder Weise, die ihm beliebt, gekocht, gebacken, gebraten oder gleich frisch aus dem Sarg heraus! Aber war nicht auch von einer anderen Karawane die Rede?“
„Ja, von der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi.“
„Das verstehe ich nicht. Ich spreche jetzt doch ziemlich gut persisch, aber was ein Pischkhidmät Baschi ist, das weiß ich nicht.“
„Dieses Wort bedeutet einen Farrasch-Baschi (Oberster der Kammerdiener) oder wenigstens so etwas ähnliches, also einen Hofbeamten des Schah-in-Schah.“
„Also einen hohen Angestellten, der sich jetzt unterwegs bei einer Karawane zu befinden scheint?“
„Ja.“
„Was hat der Säfir mit diesem vor?“
„Das weiß ich nicht.“
„Du weißt es nicht? O Sihdi, wie tief betrübst du meine Seele! Dein Auge ist doch sonst so scharf, und dein Ohr pflegt alle Töne zu vernehmen, vom Brausen
Weitere Kostenlose Bücher