21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
fürchten können! Und wenn doch, so waren wir ja Männer, denen so kleine Unannehmlichkeiten nichts anzuhaben vermochten.
Wieder zu Halef zurückgekehrt, zog ich die dem Pädär-i-Baharat und seinen Begleitern abgenommenen Ringe aus der Tasche, steckte mir den goldenen an, gab ihm einen der zwei silbernen und sagte:
„Schieb schnell und unbemerkt diesen Ring an den Finger! Diese Männer sind Sillan. Ich bin neugierig, was sie tun oder sagen werden, wenn sie unsere Ringe sehen.“
„Maschallah, das ist ein guter Gedanke!“ lachte er leise, wobei seine Augen freudig aufleuchteten. „Vielleicht bringt uns diese Begegnung ein Abenteuer, von welchem wir später erzählen können. Wenn sie mich fragen, werde ich ihnen sagen, daß –“
„Nichts wirst du ihnen sagen“, unterbrach ich ihn. „Das Sprechen überläßt du mir. Wir können nicht wissen, was wir erfahren und was geschieht, und müssen also vorsichtig sein.“
„Aber Sihdi, ich muß doch wohl auch etwas sagen oder tun?!“
„Du hast mir in allem, was ich sage oder tue, beizustimmen; das ist es, was ich von dir verlange, weiter nichts! Und nun paß auf, und betrag dich ja nicht ungeschickt!“
„Ich? Ungeschickt?“ fragte er im Ton des Beleidigten. „Sihdi, hast du mich, deinen Freund und Beschützer, jemals ungeschickt gesehen? Hätte meine Hanneh, die holdeste der herrlichsten Rosen und Reseden der Mädchenparadiese, mich jemals als Mann ihres Herzens angenommen, wenn ich ein ungeschickter – – –“
Weiter hörte ich seine Worte nicht, denn ich hatte schnell meinen Tschibuk gestopft, ging wieder zu den Männern hin und bat den einen von ihnen, welcher rauchte:
„Der Tabak ist die Speise der Seele, und sein Rauch trägt die Gedanken von der Erde empor. Ich habe kein Feuer und bitte dich, mein Herz zu erfreuen.“
Eine so höfliche Bitte war nicht abzuschlagen. Ich hatte angenommen, daß er sich des gewöhnlichen, hier gebräuchlichen Feuerzeuges bedienen werde; er zog aber Zündhölzer aus dem Gürtel und brannte eins derselben an. Dieser an und für sich so geringfügige Umstand war für mich doch nicht ohne Bedeutung, denn er gab mir Anhalt zu Schlüssen, welche ich sonst nicht hätte ziehen können. Er war so höflich, das Feuer mir nicht in die Hand, sondern auf den Tabak zu geben. Dies benutzte ich, den Tschibuk so zu halten, daß sein Auge auf den Ring an meinem Finger fallen mußte. Was ich beabsichtigte, geschah; er bemerkte ihn, ließ vor Überraschung das noch brennende Hölzchen fallen und rief aus:
„Abahraka'Ilah – gesegnet sei Gott! Was muß ich sehen an deiner Hand!“
Ich hob die Hand warnend empor und warf einen forschenden Blick rundumher. Da fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu:
„Verzeih, o Herr! Meine Überraschung, dich schon hier zu finden, war so groß, daß ich die gebotene Vorsicht fast vergessen hätte!“
Er hielt mich also für jemanden, der eigentlich nicht hier, sondern anderswo, vielleicht weit von hier, zu suchen war. Ich mußte sehr geschickt verfahren und fragte ihn also:
„Wo vermutetest du mich?“
„In Bagdad, wo du nicht eher als gestern erst angekommen sein kannst.“
„Du hast das Richtige getroffen; ich habe mich aber dort nicht aufgehalten.“
„Ist dir die Weisung des Säfir dort sogleich ausgehändigt worden?“
„Ja.“
Des Säfir! Dieses Wort wirkte wie ein elektrischer Schlag für mich. Der Säfir war da! War das derselbe Säfir, von welchem der Bimbaschi erzählt hatte? Wo befand er sich? Welchen Zweck verfolgte er? Auf was bezog sich seine Weisung? Wer und was war ich? Oder, deutlicher gesagt, wer und was war der Mann, für den ich jetzt gehalten wurde? Diese und noch andere Fragen gingen mir durch den Kopf. Vielleicht war es möglich, die betreffenden Antworten herauszulocken.
Der Mann sah jetzt meinen Halef forschend an, gewahrte den silbernen Ring an dessen Hand und richtete dann in sehr devotem Ton die Frage an mich:
„Sei gütig, und verzeih, o Herr, wenn ich zu fragen wage, ob dieser Mann vielleicht Aftab ist, von dem mir der Säfir sagte, daß er dich begleite?“
„Er ist es“, nickte ich, indem mir die Ahnung aufging, daß ich für den Pädär-i-Baharat gehalten wurde. Diese Ahnung verwandelte sich in Gewißheit, als der Mann weiterfragte:
„Du hast dich während dieser Reise Kaßim Mirza zu nennen?“
„Kaßim Mirza ist mein jetziger Name“, stimmte ich bei.
Der Pädär-i-Baharat hatte sich mir gegenüber ganz desselben Namens bedient. Er
Weitere Kostenlose Bücher