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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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möglich auf, blitzte mich mit leuchtenden Augen an und sagte:
    „Jawohl, der bin ich ganz bestimmt! Ich bin der oberste Regent meiner herrlichen, meiner lieben Haddedihn, welche mir so gehorchen, wie kaum die Türken ihrem Padischah oder die Perser ihrem Schah-in-Schah gehorchen. Ich tausche mit keinem Menschen auf der ganzen Welt und habe die Peitsche nur zum Regieren, aber nicht um die Arbeit eines Henkers zu verrichten. Je berühmter der Mann, desto weniger hat er es nötig, die Karbatsch selbst zu führen! Ich gehe mit dir, der du ebenso berühmt bist wie ich selbst.“
    Ich sagte dem Bimbaschi, daß wir uns jetzt entfernen, aber bald wiederkommen würden; er könne inzwischen in ‚der Sprache der Prügel‘ mit dem Säfir reden. Dann bestiegen wir unsere Pferde und ritten fort.
    Zwar hatte der Gedanke, mich bei dem Pischkhidmät Baschi zu erkundigen, nahe gelegen, aber ich wollte mit diesem undankbaren Menschen nichts mehr zu tun haben und verzichtete also darauf, mit ihm zu sprechen oder gar ihn mitzunehmen. Übrigens hätte er mir wohl schwerlich eine bestimmte Auskunft geben können, denn er kannte die Gegend nicht; es war Nacht, also dunkel gewesen, als er hier angekommen und überfallen worden war, und wohin man die Leichen geschafft hatte, das war eine Frage, die er noch viel weniger als jede andere beantworten konnte. Ich hielt es für das beste, mich auf mich selbst zu verlassen. Halef konnte mir auch nur wenig nützen, weil er kein Fährtensucher war. Ich hatte ihn nur mitgenommen, um ihn von der Prügelstelle zu entfernen.
    Indem wir in nördlicher Richtung, woher wir gekommen waren, längs der Ruinen hinritten, betrachtete ich unausgesetzt den Boden, um die mir passenden Spuren zu entdecken. Ich fand bald die unserigen und bald andere, aber nicht die, welche ich suchte. Wir ritten dann ostwärts, über die Fährte der Pascher hinaus, welche vom Kanal herkam, und stießen dann wieder auf die Eindrücke der Karwan-i-Pischkhidmät Baschi. Nun war es mir klar, daß der Überfall nicht hier im Norden, sondern südlich von unserm jetzigen Lagerplatze stattgefunden hatte. Die Karawane war von dem Säfir über die Stelle, wo die unterirdischen Räume lagen, hinausgeführt worden; es wäre auch sehr unvorsichtig von ihm gewesen, sich grad dort über sie herzumachen, denn er hatte sich doch wohl sagen müssen, daß jedenfalls Spuren zurückbleiben würden. Wir kehrten also um und ritten zurück.
    Als wir uns dem Lagerplatz näherten, rief uns der Anführer der Beduinen höhnisch zu:
    „Nun, wo liegen die Ermordeten, nach denen ihr sucht? Eure große Klugheit hat sie euch doch jedenfalls gezeigt!“
    Er hatte also unsere Absicht erraten, und glaubte, wir würden nach diesem vergeblichen Ritt nun von den Pferden steigen und hier bleiben. Ich antwortete nicht; aber dem kleinen Halef war es unmöglich, zu schweigen. Er warf ihm, indem wir vorüberritten, die Drohung hin:
    „Wir kommen nur, um dir zu sagen, daß du für jeden Toten, den wir finden, nach unserer Rückkehr fünf Streiche auf die Sohlen erhalten wirst!“
    Es war so, wie ich gedacht hatte; die Spuren der Karawane führten von hier weiter und fielen mit denen der auf ihnen zurückgekehrten Räuber zusammen. Nach ungefähr fünf Minuten hörten sie auf, und wir befanden uns an der stark mit Blut getränkten Stelle des Überfalls. Es gab zwar kräftige Fuß- und Hufeindrücke, aber zerstampft und aufgerissen, wie es bei einem Kampf unvermeidlich ist, war der Boden nicht. Die Perser hatten sich ohne eigentliche Gegenwehr abschlachten lassen, feige Menschen, die ebensowenig Mut besaßen wie ihr Herr, der sich doch so gern einen sehr tapfern Krieger nannte!
    Diese Stelle lag ungefähr zweihundert Meter von den hier steil ansteigenden Ruinen entfernt, und es führten Fußstapfen hinüber, welche so tief eingedrückt waren, daß ich zu Halef sagte:
    „Die Leichen hat man dort hinter die Mauern geschafft.“
    „Woraus vermutest du das?“ fragte er.
    „Wenn du ohne eine Last hinübergehst, werden deine Fußeindrücke viel leichter sein als diese hier. Die Stapfen sind tiefer, weil man die Toten hinübergetragen hat.“
    „Werden wir sie finden?“
    „Gewiß. Leichname sind keine Geister, welche spurlos erscheinen und verschwinden. Komm!“
    Drüben angelangt, sahen wir, daß die Spuren an einem zwar nicht großen, aber hoch an der Mauer aufgebauten Ziegelhaufen endeten, welcher nicht aus einzelnen, sondern noch durch den Asphaltkitt verbundenen

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