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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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hier, wo abermals geprügelt wird, nicht Zuschauer sein.“
    „Du wirst ihm berichten, was heut nacht hier geschehen ist?“
    „Ja.“
    „So bitte ich dich, meiner dabei in freundlicher Weise zu gedenken!“
    „Das werde ich tun!“
    „Darf ich aus diesen deinen Worten schließen, daß du mit mir zufrieden bist?“
    „Du hast dich als ein braver, umsichtiger und zuverlässiger Soldat bewährt, und es freut mich sehr, ihm das sagen zu können.“
    „Allah sei Dank, und dir aber auch! Darf ich dir einen Gedanken mitteilen, den ich habe?“
    „Immer zu!“
    „Ich habe mich stets bemüht, meine Pflicht zu tun und ein guter Mensch zu sein; das ist mir oft schwer, sehr schwer geworden, wenn ich sah, daß mir dieses Bestreben nur Nachteil brachte, während andere, denen Allahs Wohlgefallen nicht am Herzen lag, vor mir berücksichtigt wurden und schnell vorwärtskamen. Ich habe mit meinem Herzen und mit meiner Armut unaufhörlich kämpfen müssen und mich schließlich drein ergeben, daß es meine Bestimmung sei, in der trüben Gesellschaft unerfüllter Wünsche durch das Leben zu gehen. Du bist ein Christ und fühlst dich also nicht beleidigt, wenn ich dir sage, daß mir das Kismet, welches unser Islam lehrt, geradezu entsetzlich ist. Es schlingt seine unzerreißbaren Bande um den Menschen, um seinen Leib und um seine Seele; es hält ihn auf der Stelle fest, wohin es ihn geworfen hat. Er kann bitten, wünschen und nach Besserem wimmern; er kann sorgen, schaffen und arbeiten mit allen seinen Kräften, es hilft und nützt ihm nichts; er liegt an der Erde und kann nicht auf, weil ihn die eiserne, um seinen Nacken gekrallte Faust des Kismet niederhält. Da sterben nach und nach alle Wünsche und alle Hoffnung ab; das Vertrauen auf sich selbst und auf eine bessere Zukunft geht verloren, und man sinkt zum willenlosen Sklaven des Schicksales herab, der wie die Figuren eines Kara göz ojunu (Schattenspiel) an unzerreißbaren Schnüren hin- und hergezogen wird. Man ist, mit einem Wort – – – tot! Kannst du dich darein denken, Effendi!“
    „Nur zu gut.“
    „Ein solcher Schatten, eine solche Figur bin ich bis heute gewesen. Ich fühlte die Faust, welche mich niederhielt, und konnte nichts gegen sie machen. Ich hatte mit dem Leben abgeschlossen und meine Sehnsucht, meine Wünsche im tiefsten Innern angekettet. Ich wußte, daß es für mich kein Vertrauen, keine Hoffnung, keine Zuversicht, keinen Zweck, kein Ziel mehr gebe. Da kamst du, und es wurde so plötzlich und unerwartet alles anders. Es ist eine Sonne in mir aufgegangen, und tausend Blüten und Blumen sind erwacht. Ich fühle, daß ich nicht tot bin, sondern lebe. Du hast mich befreit von der Sklaverei; du hast – – – o Effendi, ich weiß nicht, wie ich mich ausdrücken soll; am liebsten möchte ich sagen, du hast mein Kismet besiegt und auf immer für mich unschädlich gemacht. Ist es eine Sünde, wenn ich so denke und so sage?“
    „Nein. Es gibt kein Kismet. Allah ist kein Tyrann, welcher seine Untertanen knechtet, sondern ein liebevoller Vater, der keine Sklaven, sondern Kinder hat, die frei und fröhlich seine Wege wallen sollen.“
    „Ist das die Lehre deines Glaubens, deines Christentums?“
    „Ja.“
    „So seid ihr Christen glücklicher als wir! Ich muß dir ein Geständnis machen, bitte dich aber, mir zu glauben, daß ich dir nicht schmeicheln will! Denke dich in ein fernes Land des Südens, wo es nur schwarze Menschen gibt! Du bist viele, viele Jahre dort, und in dieser Zeit selbst auch schwarz geworden. Du lebst wie ein Schwarzer; du ißt und trinkst wie ein Schwarzer; du denkst und fühlst wie ein Schwarzer; aber tief in deinem Innern lebt das Bewußtsein, daß du nicht zu diesen Schwarzen gehörst, und die Sehnsucht, aus dieser Schwärze, diesem Dunkel erlöst zu werden. Da kommt plötzlich ein Weißer. Alle Welt staunt ihn an, kann ihn nicht begreifen, wundert sich über seine Farbe, seine Gestalt, seinen Gang, seine Stimme, seine Worte. Dir aber ist er sofort begreiflich. Du liebst ihn gleich beim ersten Blick, den du auf ihn wirfst; dein Herz schlägt ihm entgegen, und du bemerkst mit Wonne, daß er dich aus all den andern herauskennt und sich mehr zu dir, als zu ihnen hält. Du fühlst, daß du zu ihm gehörst, daß es dein Glück sein wird, so denken und so empfinden zu lernen, wie er denkt und empfindet. Du atmest nach tiefer schwerer Bedrückung auf. Es geht ein Hauch des Lebens, ein ungeahnter Frühling durch deine Seele, und

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