21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
mich hämisch:
„Hat Allah euch den richtigen Weg geführt? Du machst ein so frohes, ein so glückliches Gesicht, daß ich weiß, ich werde die Streiche jetzt bekommen. Wie freue ich mich darauf!“
Ich antwortete ihm nicht, sondern wendete mich an Halef:
„Wie viel Hiebe hast du ihm versprochen?“
„Fünf für jeden Toten; das sind also fünfundfünfzig“, antwortete der Hadschi.
„Er soll sie bekommen, sofort bekommen. Und nach ihm erhält jeder seiner Leute dreißig; aber derb; die Sohlen müssen platzen!“
Da schrie der Alte mich an:
„Untersteht euch nicht etwa, uns auch nur zu berühren! Wo sind die Toten, die wir ermordet haben sollen? – Zeig sie uns!“
„Dort in den Ruinen haben wir sie gefunden, bei den Resten derer, die ihr schon vor ihnen umgebracht habt!“ erwiderte ich ihm.
„Dein verfluchtes Maul ist eine Geburtsstätte der Lüge, und dein wahnwitziges Gehirn brütet Unwahrheiten aus, welche – – –“
Er sprach nicht weiter, sondern unterbrach seine Worte mit einem überlauten Schrei, denn ich hatte, nun endlich doch einmal in Hitze geraten, dem kleinen Hadschi die Peitsche aus dem Gürtel gerissen und zog dem unverschämten Menschen einen solchen Hieb über das Gesicht, daß es sofort aufsprang und das Blut ihm an beiden Seiten herunterlief.
„Hamdullillah, mein Effendi wird gescheit!“ jubelte Halef. „Es gibt nur eine einzige Sprache, in welcher man mit solchen Frechlingen verkehren kann; das ist die Sprache der Peitsche, welche deutlicher, überzeugender und auch eindringlicher ist als jeder sonstige Dialekt. Sihdi, du hast, seit ich dich kenne, jetzt das schönste Wort gesprochen; es enthält die wahre Weisheit, welche über alle andern Kenntnisse und Klugheiten der Erde geht! Soll ich die beglückende Fortsetzung deines wohltuenden Anfangs übernehmen?“
„Ja. Hier hast du das Zeichen der Macht, welche ich dir anvertraue“, antwortete ich, indem ich ihm seine Peitsche wiedergab. „Ich bin nicht für rohe Straftaten, aber diese Hunde haben mehr als verdient, daß ihnen die Felle gegerbt werden. Der Alte bekommt seine fünfundfünfzig und jeder andere dreißig, und wenn einer von ihnen wagen sollte, sich darauf zu berufen, daß er als freier Beduine nicht geschlagen werden darf, so fangt ihr noch einmal von vorn an! Hörst du, Halef?“
„Ob ich das höre, Sihdi! Ich höre es so deutlich, als hättest du es mir mit einer zehn Meilen langen Nafir (Trompete) und einer noch zwanzigmal längeren Zurna (Posaune) in die Ohren geblasen! Du wirst sehen, wie genau ich deinen Wunsch erfülle!“
„Ich werde nicht dabeisein, sondern inzwischen dem Pascha entgegenreiten.“
„Das ist schade, jammerschade! Aber ich weiß, du kannst solche Strafen wohl diktieren, doch dabeisein magst du nicht. Du kannst dich aber ganz ruhig entfernen, denn die Ausführung befindet sich in den besten Händen!“
Ich war von der Wahrheit dieser Worte ebenso vollständig überzeugt wie davon, daß der Bimbaschi während unserer Abwesenheit den Säfir auf das vortrefflichste bedient hatte, denn dieser lag mit vor Schmerz zuckenden Gliedern wie ein zusammengerollter Igel auf der Erde und ließ ein fast ununterbrochenes Wimmern hören. Er fühlte nun, was er nicht hatte zugeben wollen: den Anfang des ihm von mir vorausgesagten Strafgerichts. Amuhd Mahuli mochte glauben, der Gezüchtigte tue mir leid, denn er fragte mich:
„Dein Gesicht ist so ernst und streng, Effendi. Meinst du vielleicht, daß wir mit der Bastonade zu freigebig gegen ihn gewesen sind?“
„Nein, Bimbaschi, das denke ich nicht; aber wenn ich jemanden sehe, der zwar ein Mensch heißt, doch keiner ist, so tut mir das bitter weh. Schau ihn nur an! Dieser Kerl ist auch erschaffen, um ein Ebenbild Gottes zu sein; was aber ist aus diesem Bildnis des Allmächtigen und Alliebenden geworden? Das niedrigste und häßlichste Tier wirkt nicht so abstoßend wie so ein widriges Subjekt, welches doch ebenso wie wir die Berufung in sich trug, an Gottes Himmel teilzunehmen.“
„Er wird ihn nie erreichen, nie, nie! Du hast ja Worte aus seinem Mund gehört, bei denen dein Ohr gewiß ebenso schmerzte wie das meinige; aber als ihr fort wart und wir ihn in die Lage der Bastonade brachten, bekamen wir Reden zu hören, welche selbst in der Hölle nicht gottloser erfunden werden können. Dieser Mann ist verloren für alle Ewigkeit. Wenn ich recht gehört habe, stehst du jetzt im Begriffe, dem Pascha entgegenzureiten?“
„Ja. Ich mag
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