21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
dies geschah, winkte er Rebat herbei und erklärte ihm mit lauter Stimme, so daß alle es hörten:
„Dieser tapfere und berühmte Jüsbaschi ist von dem Pascha gesandt worden, an meine Stelle zu treten. Er besitzt das Vertrauen und die Zuneigung eures Scheiks und wird euch ein freundlicher Gebieter sein. Ich aber nehme gern Abschied von diesem Ort. Allah behüte euch!“
Diese Empfehlung war die Folge meiner freundlichen Zeilen. Nach einigen Minuten gab er mir die Hand und ritt fort. Ich ging, die Pferde betrachtend, im Hof hin und her und sah gar wohl die beobachtend auf mich gerichteten Blicke der Kurden. Sie wollten aus meinem Aussehen und Benehmen erraten, was für ein Verhalten sie von mir zu erwarten hätten.
Rebat hielt sich an meiner Seite, um meine gelegentlichen Fragen zu beantworten. Er schien etwas auf dem Herzen zu haben, getraute sich aber nicht heraus damit, bis er durch meine absichtliche Freundlichkeit veranlaßt wurde, es zu sagen:
„Sprachst du nicht von einer sehr wichtigen Nachricht für uns, die sehr eilig sei, o Jüsbaschi?“
„Ja“, antwortete ich. „Euer Scheik hat sie mir aufgetragen; aber ich habe mich anders besonnen, weil ihr hier nötig seid und ich euch unmöglich fortlassen kann.“
„Wir sollten fort von hier?“
„Ja; ich kann euch aber nicht fortlassen.“
„Warum sollten wir fort?“ fragte er dringlich.
„Weil er erfahren hat, daß eure Kundschafter sich geirrt haben. Es kommen nämlich nicht bloß dreihundert Hamawandi-Kurden, sondern das Weib Jamirs, die ihr wohl kennt, ist an der Spitze eines viel, viel größeren Haufens aufgebrochen. Der Scheik erwartet sie heute nachmittag.“
„l' Allah! Da hat er doch zu wenig Leute bei sich!“
„Das dachte er allerdings auch“, nickte ich.
„Hat er keine Boten ausgeschickt?“
„Das hat er freilich getan; aber ob die Hilfe zur rechten Zeit bei ihm eintrifft, das ist sehr fraglich.“
„Er scheint auch von uns gesprochen zu haben?“
Rebat war ganz Feuer und Flamme; auch die andern Dawuhdijehs drängten sich aufgeregt herbei.
„Natürlich hat er auch von euch gesprochen“, antwortete ich in lässigem Ton. „Er wollte euch schnell einen Boten senden; da ich aber zu euch ritt und er bei der Übermacht der Feinde nicht gern einen einzigen Mann entbehrt, nahm er die Gelegenheit wahr, mich mit dieser Botschaft zu beauftragen.“
„Was befahl er? Was wollte er? Was sollen wir tun? Sprich schnell, sprich schnell!“
„Ihr sollt sofort und eiligst zu ihm kommen, denn eine so starke Truppe, wie ihr seid, könne er nicht untätig hier im Kulluk lassen, während die andern mit einem doppelt starken Feind zu ringen hätten.“
Da schrie er mich zornig an:
„Das – das solltest du uns sagen und sagst es uns erst jetzt, wo wir schon seit einer Stunde fort sein könnten!“
„Fort? Was fällt euch ein! Ihr werdet hier gebraucht. Ich kann keinen einzigen von euch fortlassen! Der Pascha – – –“
„Schweig vom Pascha! Was geht uns der Pascha an, wenn unsere Krieger von einem übermächtigen Feind überfallen werden! Wir müssen fort! – – – Das Weib Jamirs? Diese Teufelin! Wir können keinen Augenblick länger bleiben. Auf, ihr Leute, sattelt schnell! Es ruft der Kampf!“
Ich wehrte mich scheinbar aus Leibeskräften dagegen, bekam aber dafür nichts als Grobheiten zu hören, und als ich es schließlich wagte, den Säbel zu ziehen und einen streng klingenden Befehl loszudonnern, donnerte mich Rebat wieder an:
„Schweig! Denkst du, daß wir uns vor deiner Klinge fürchten? Wir sind freie, unabhängige Dawuhdijehs, denen kein Jüsbaschi etwas zu befehlen hat! Die Gefangenen stecken hier fest und sicher; die können nicht heraus, und bis wir wiederkommen, hast du ja deine fünf Soldaten; das ist mehr als genug. Mit ihnen könntest du den Kulluk monatelang verteidigen. Also schweig, denn es ist jedes Wort vergeblich!“
Das war es ja, was ich wollte! Ich stellte mich zwar auch weiter ganz ungebärdig, aber kein Mensch achtete mehr auf mich, ich konnte tun und sagen, was ich wollte. In kurzem ritten sie den Berg hinab, und ich blieb nur mit meinen fünf lieben, treuen Soldaten zurück.
Welch ein Erfolg! Der Mülasim mitsamt der Quittung fort und die Dawuhdijehs auch alle fort! Nun blieben nur noch die Asaker, denen anzusehen war, daß sie sich am liebsten auch gern unsichtbar gemacht hätten. Sie standen am Tor und schauten sehnsüchtig hinter den Kurden drein. Es war keiner unter ihnen, dem
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