21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
ein außerordentlich tapferer Raucher bin. Hierauf trat er der vorliegenden Angelegenheit nicht eigentlich näher, sondern er fiel gleich mitten in den vorhandenen juridischen Stoff hinein, indem er die Frage an uns richtete:
„Ihr seid Mörder?“
Weil er dabei mich ansah, war ich es, welcher antwortete:
„Nein.“
„Ihr seid Schmuggler?“
„Nein.“
„Ihr habt diese Pferde gestohlen?“
„Nein.“
„Mensch, sag ‚Ja‘, sonst bekommt ihr sofort die Bastonade! Habt ihr oberhalb Bagdad am Ufer des Flusses die Leute, von denen vorhin gesprochen wurde, überfallen?“
„Nein.“
„Sie beraubt?“
„Nein.“
„Ihnen Schläge gegeben?“
„Ja.“
„Endlich, endlich ein Geständnis! Das ist euer Glück, denn es wären nur fünf Minuten vergangen, so hättet ihr die Knochen aus dem Fleisch eurer Füße hervorragen sehen. Antworte weiter! Du bist ein Christ?“
„Ja.“
„Dieses Eingeständnis bringt dich um, denn daß du ein Giaur, ein von Allah verfluchter Giaur bist, das ist schlimmer als alles, dessen du außerdem beschuldigt wirst. Hast du gewußt, daß ein Christ sein Leben wagt, wenn er die Gegend der hiesigen heiligen Orte betritt?“
„Ja.“
„Und das hat dich nicht abgehalten, hierher zu kommen? Wie unrettbar mußt du der Laufbahn des Verbrechens verfallen sein, da du ihr willig bis hierher gefolgt bist, wo dir schon als Christ dein Leben keinen Augenblick sicher ist! Dich erwartet hier ein schreckliches Ende und dort die Verdammnis in alle Ewigkeit, denn die Rache Allahs ist fürchterlich; er vergibt nie!“
„Woher weißt du das?“
„Der Koran sagt es.“
„Der Koran sagt grad das Gegenteil!“
„Was kannst du, der Giaur, vom heiligen Buch der Gläubigen wissen!“
„Dieses Buch sagt in der 110. Sure: ‚Preise das Lob des Herrn, und bitte ihn um Vergebung, denn er vergibt gern!‘ Du scheinst die Sure aber nicht zu kennen.“
Er warf den Kopf empor, sah mich eine Weile überrascht an und rief mir dann zornig zu:
„Schweig! Ein gläubiger Sohn des Propheten muß sein Buch besser kennen, als du, ein Christ, es kennen kannst. Was du sagst, ist Lüge, muß Lüge sein, weil ihr Isa (Jesus) verehrt, der ein Sohn der Unwahrheit ist!“
„Ein Sohn der Unwahrheit? Nimm dieses Wort zurück, denn du schändest damit eure eigene Lehre, deine eigene Religion!“
„Hund! Beleidige mich nicht! Beweise, was du gesagt hast!“
„Nimm den Koran, und schlag die neunzehnte Sure auf! Da wirst du lesen: ‚Das ist Jesus, Mariens Sohn, das Wort der Wahrheit!‘ Und du bezeichnest den, den eure Offenbarung das Wort der Wahrheit nennt, als einen Sohn der Unwahrheit?“
„Schweig!“ herrschte er mich an.
„Ich schweige nicht! Meinen Christenglauben brauche ich nicht zu verteidigen; er ist so herrlich und erhaben, daß er meiner schwachen Worte nicht bedarf. Aber hier stehen zahlreiche Moslemim, welche ruhig dulden, daß du den Islam schändest. Gehe in die Dschawahmi (Moscheen) und in die Medahris (Universitäten), so wirst du hören, daß Jesus am jüngsten Tag herniedersteigen wird, um alle Lebendigen und Toten zu richten! Und den, welchen der Islam den Gebieter des jüngsten Tages nennt, wagst du, einen Sohn der Unwahrheit zu heißen? Ist diese Beleidigung des Islam etwa dadurch möglich, daß du ein Anhänger der Sunna bist, während die Schia die Wahrheit lehrt?“
Diese Frage war, um mich so auszudrücken, ein rednerischer Handstreich von mir, den ich unternahm, weil die meisten der Anwesenden Schiiten waren. Die Wirkung zeigte sich sofort in einem beifälligen Gemurmel, welches sich hören ließ. Dadurch ermutigt, fuhr ich fort:
„Du hast mich einen Hund und einen von Allah verfluchten Christen genannt. Den Hund verzeihe ich dir; wo aber steht im Koran oder in einer seiner Auslegungen zu lesen, daß Allah die Christen verflucht habe? Wo steht geschrieben, daß wir Ungläubige, daß wir Heiden seien? Mohammed gibt uns, weil wir an denselben Gott glauben, zwar nicht alle sieben, aber doch auch einen Himmel. Wer sind die eigentlichen Feinde des Islam? Sind wir Christen es, oder seid ihr es selbst? Wer hat euch entzweit? Etwa wir? Wer hat gegen Ali, den Kalifen, gestritten, und von wessen Hand wurde Hussein getötet? Sind das Christen oder Mohammedaner gewesen?“
Jetzt wurden so zahlreiche Beifallsrufe laut, daß der Sandschaki einsah, er dürfe mich unmöglich in dieser Weise fortfahren lassen. Er sprang auf, warf die Arme abwehrend in die Luft und rief:
„Wer hat
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