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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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erwiesen?“
    „Natürlich! Du hast es ja gehört!“
    „Erlaube mir, anderer Meinung zu sein! Um einen Angeklagten zu überführen, muß man ihn doch wohl vor allen Dingen verhören?“
    „Das habe ich ja getan!“
    „Nein. Du hast Fragen gestellt; aber ein Verhör war das nicht zu nennen. Es ist ja nicht einmal eine Mazbata (Protokoll) aufgenommen worden. Du weißt ebenso wie ich, daß ein Verhör ohne Mazbata nur ein gewöhnliches Gespräch und also nicht gültig ist. Hier sitzt der Schreiber; aber seine Feder ist noch trocken; er hat sie noch nicht einmal in die Tinte getaucht. Und doch ist es vorgeschrieben, daß wir alle die Mazbata zu unterschreiben haben, wenn das Verhör Geltung haben soll. Übrigens habe ich weder richtige, unanfechtbare Beweise gesehen, noch liegt ein Geständnis der Angeklagten vor. Auch muß ich dich darauf aufmerksam machen, daß nur die Mehkeme in ihrer Gesamtheit über Schuld oder Unschuld zu bestimmen hat, nicht du allein. Wir sitzen nicht als stumme Zuhörer hier, sondern wir sind versammelt, um unter deinem Vorsitze Recht zu sprechen!“
    Das klang scharf. Dieser Offizier besaß Ehrgefühl. Nahm er sich unser nur darum an, weil dieses Gefühl beleidigt worden war? Oder waren es nebenbei auch persönliche Gründe, die ihn veranlaßten, zu opponieren? Ich bemerkte bei ihm, während er sprach, einen ganz eigenen Gesichtsausdruck, und es waren so seltsame Blicke, welche dabei aus seinen Augen zu uns herüberschweiften.
    Der Sandschaki konnte die ihm gewordenen Vorwürfe nicht entkräften; er kämpfte vergeblich mit seinem Ärger und stieß zornig hervor:
    „Bei so ungewöhnlichen Fällen, wie der vorliegende ist, habe ich das Recht, auch zu ungewöhnlichen Mitteln zu greifen. Diese Menschen werden bestraft!“
    „Wenn sie überführt worden sind!“
    „Ich habe sie überführt!“
    Da lachte der Mir Alai so halblaut vor sich hin und sagte:
    „Sie werden nicht bestraft, gleichviel, ob ihre Schuld zu beweisen ist oder nicht.“
    „Das klingt unklar. Sprich deutlicher!“
    „So will ich deutlich sein: Diese beiden Männer werden sich nicht bestrafen lassen.“
    „Wie? Was?“
    „Auf keinen Fall!“
    „Ich begreife dich nicht!“
    „Schau sie an! Sehen sie so aus, als ob sie mit sich machen lassen werden, was dir beliebt?“
    „Maschallah! Sie sollen sofort andere Gesichter machen! Da du es verlangst, werde ich ein regelrechtes Verhör anstellen und eine Mazbata anfertigen lassen. Jede Frage und jede Antwort soll niedergeschrieben werden, und wenn die Kerle nur eine einzige Frage verneinen, bekommen sie ohne Gnade die Bastonade.“
    „Werden sie absteigen?“
    „Sie müssen!“
    „Wer aber wird es wagen, inzwischen ihre Pferde zu halten?“
    „Die werden einstweilen weggejagt; sie mögen laufen, wohin sie wollen, wenn sie nur nicht hier im Hof bleiben. Also, es wird begonnen!“
    Es wird begonnen! Es war auch wirklich Zeit dazu. Denn was es bis jetzt gegeben hatte, das war nur Kinderei gewesen. Der Katib (Schreiber) tauchte mit gerunzelter Stirn und wichtiger Miene seine Feder in die Tinte, und der Vorsitzende warf uns zum zweitenmal die schreckliche Frage zu:
    „Ihr seid Mörder? Ich rate euch, es sofort zu gestehen, denn wenn ihr es nicht tut, werdet ihr ohne Säumen dort angeschnallt!“
    Er zeigte bei diesen Worten auf das ‚Kamel der Schmerzen‘. Ich antwortete:
    „Hamdullillah! Endlich scheint der Scherz zu Ende zu sein und der Ernst zu beginnen! Darum frage ich dich: Hast du schon einmal einem Verhör beigewohnt?“
    „Bist du verrückt? Mir eine solche Frage vorzulegen!“
    „Du hast keinen Grund, dich darüber zu wundern. Vielmehr haben wir alle Veranlassung, erstaunt zu sein, daß du ein Verhör anstellen willst, ohne zu wissen, welche Fragen dabei zunächst vorzulegen sind.“
    „Welche Fragen?“ donnerte er mich an.
    „Vor allen Dingen mußt du doch wissen, wer wir sind!“
    „Das weiß ich: Mörder seid ihr!“
    „Ich verbiete dir, uns so zu nennen! Du darfst diesen Ausdruck nicht eher auf uns anwenden, bis bewiesen ist, daß wir ihn verdienen. Wenn du nicht weißt, was sich – – –“
    „Schweig!“ befahl er mir. „Wenn du mich beleidigest, bekommst du so viel Hiebe, daß – – –“
    „Still!“ unterbrach ich ihn in meinem kräftigsten Ton. „Jetzt spreche endlich ich einmal, und du hast ruhig zuzuhören, bis ich fertig bin! Ich gebe dir mein Wort: Wenn du mich noch einmal unterbrichst, ohne von mir gefragt worden zu sein,

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