21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
behaupte, daß er ein von seinem Stamm ausgestoßener Pferdedieb ist. Auf welche andere Weise kämen solche Schufte zu solchen Pferden?! Wer weiß, welchem hohen Herrn sie sie gestohlen haben, denn nur sehr reiche und sehr hochstehende Leute können so ‚reines Blut‘ besitzen. Wenn du sie ihnen abnimmst und nachforschst, so wirst du sehr bald erfahren, wem sie eigentlich gehören, und dir durch die Rückgabe ein Verdienst erwerben, welches man dir sehr hoch anrechnen wird.“
Das leuchtete dem Sandschaki sofort ein; er antwortete schnell:
„Ich bin ganz deiner Ansicht und werde diese Halunken so lange auf die Fußsohlen schlagen lassen, bis sie ein Geständnis ablegen und mir sagen, wo ich den oder die rechtmäßigen Besitzer der Pferde zu suchen habe. Setz dich jetzt wieder nieder, denn es verlangt mich, ihnen so schnell wie möglich zu zeigen, daß ihre verbrecherische Laufbahn hier vor diesem Gericht ein ebenso gerechtes wie gewaltsames Ende nimmt. – Es mag der Bastonadschi mit seinen Leuten kommen!“
Auf diesen laut ausgerufenen Befehl entfernte sich ein Diener, welcher bald darauf den Genannten brachte. Der Bastonadschi, ein Wort, welches am besten mit ‚Stockmeister‘ übersetzt wird, bekleidet ein Amt, dessen Ausübung für diejenigen, welche ihm übergeben werden, eine sehr schmerzhafte ist, denn wenn er sich auch mit noch anderen Handlungen zu beschäftigen hat, welche mit der irdischen Gerechtigkeit im Zusammenhange stehen, so richtet sich doch seine Lieblingsbeschäftigung vorzugsweise auf Körperteile, welche im höchsten Grad gefühlvoll zu sein pflegen, nämlich auf die Fußsohlen. Es hat zwar nie einen Bastonadschi gegeben, welchem Gelegenheit geworden ist, die Empfindlichkeit der meinigen einer eingehenden und liebevollen Prüfung zu unterwerfen, aber ich kann mich trotzdem in die Lage eines armen Teufels versetzen, dem es vergönnt ist, einen solchen Akt des orientalischen Strafvollzuges an sich vornehmen zu lassen. Es ist wirklich kein Wunder, daß der Herr Bastonadschi dort überall in einem ebenso hohen wie gefürchteten Ansehen steht.
Dieser hier kam, wohl über ein Dutzend Stöcke unter dem Arm, in würdevoller Haltung herbeigeschritten. Ihm folgten seine Untergebenen, die ‚Stockknechte‘. Sie trugen eine hölzerne Vorrichtung, welche einer Bank glich, der zwei Beine fehlten, an deren Stelle zwei Riemen angebracht waren. Diese Bank wird von arabisch sprechenden Sachkundigen Dschamal 'l Alahm (Kamel der Schmerzen) genannt. Die Anwendung dieses sehr praktischen Werkzeuges geschieht in folgender Weise: Die Bank wird so auf die Erde gelegt, daß die beiden, an der einen Schmalseite befindlichen Beine emporstehen; dann bekommt der Delinquent die Einladung, Platz zu nehmen. Er tut dies entweder freiwillig oder gezwungen in der Weise, daß er sich auf die Bank legt, und zwar mit dem Rücken, welcher dieses Mal nichts zu befürchten hat, nach oben. Hierauf wird ihm der eine Riemen über das Genick und der andere über den Leib und die fest anliegenden Arme geschnallt, die er also nicht bewegen kann. Die Unterschenkel werden aufwärts gebogen und an den Bankbeinen festgebunden, wodurch die Sohlen der nackten Füße in diejenige horizontale Lage kommen, welche in der freundlichen Absicht des Bastonadschi liegt. Sobald diese Hal el Kabil (Lage des Empfangens) erreicht worden ist, sind die wichtigen Vorbereitungen beendet, und der Meister verteilt die Stöcke unter die Knechte, welche die Hiebe auf die Fußsohlen in der vorgeschriebenen Weise zu verabreichen haben, während er darüber wacht, daß nichts an der bestimmten Zahl und Stärke fehlt.
Also auch für uns wurde so ein trautes ‚Kamel der Schmerzen‘ gebracht und vor uns hingelegt, worauf die zur Ausübung Berufenen einige Schritte zurücktraten und dann in erwartungsvoller Haltung stehen blieben. Ich sah, wie die Augen der Umstehenden glänzten und ihre Gesichter einen festlich frohen Ausdruck annahmen. Der Sandschaki deutete mit der Hand auf die Marterbank und richtete an uns die Verwarnung:
„Ihr seht, was euch erwartet, wenn ihr leugnet. Ich werde euch so lange hauen lassen, bis ihr alles eingesteht. Erspart euch die Hiebe, und gebt mir aufrichtige Antworten auf meine Fragen!“
Er machte eine Kunstpause, während welcher er sich einen neugestopften Tschibuk geben ließ. Hierbei muß ich bemerken, daß natürlich sämtliche Beisitzer des Gerichtes rauchten, was ich ihnen übrigens gar nicht übelnahm, weil ich selbst auch
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