Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
angenommen, ohne zu berücksichtigen, daß sie nicht seines Glaubens sind. Er kennt keine Angst; er fürchtet keine Gefahr; er flieht keinen Feind, und seine Klugheit ist ebenso groß wie seine Stärke und seine Tapferkeit. Und dieser sein treuer Begleiter, den ihr hier neben ihm seht, weicht nie von ihm und nimmt an allen seinen Taten teil. Sein Name lautet Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawud al Gossarah.“
    „Wie? Du kennst uns? Du kennst mich? Du kennst sogar meinen ganzen Namen, den ich allerdings noch sehr verlängern könnte?“ fragte Halef in stolzem, freudigem Tone.
    „Ja, ich kenne euch. Darum habe ich vorhin behauptet, daß ihr euch auf keinen Fall bestrafen lassen werdet, denn euer Wille gibt euch Flügel, und euer Zorn bricht Löcher durch die Mauern.“
    „Aber ich erinnere mich deiner nicht. Wo bist du uns begegnet?“
    „Ich habe euch gesehen, droben zwischen den Bergen der Teufelsanbeter; es ist schon lange her. Ich war damals noch Mülasim (Lieutenant) und befand mich bei den Truppen, welche der Mir Alai Omar Amed kommandierte. Dieser war ein überstrenger, rücksichtsloser Mann, wofür er mit dem Feuertod bestraft wurde. Ihr befandet euch ja in der Nähe und habt es gesehen, daß Pir Kamek, der Oberste der Teufelsanbeter, mit ihm in das Feuer des Scheiterhaufens sprang, worauf beide verbrannten. Dann vermittelte dein Emir Kara Ben Nemsi Effendi den Frieden zwischen den Dschesidi und uns. Da erst erfuhren wir, was wir euch zu verdanken hatten. Wir waren rundum eingeschlossen, und keiner von uns wäre mit dem Leben davongekommen, wenn der Emir sich unser nicht angenommen hätte. Es wurde dies von Mund zu Mund erzählt, und alle gewannen euch lieb. Wir hörten auch alles, was ihr vorher getan und erlebt hattet. Später, als ich in Kerkuk und dann in Suleimanieh stand, wurde oft noch mehr von Kara Ben Nemsi und seinem Hadschi Halef Omar erzählt, von euern Pferden, euern Gewehren und euern Taten bei den Beduinen der Dschesireh und den Kurdenstämmen der Berge und der Täler. Ich war stolz darauf, euch zu kennen, und wünschte, euch einmal wiederzusehen. Heute ist dieser Wunsch in Erfüllung gegangen, und ihr könnt euch denken, daß ich mich darüber freue. Ich möchte euch so gern dafür dankbar sein, daß ihr uns allen damals das Leben gerettet habt, aber leider bin ich nicht der Sandschaki von Hilleh, sondern nur der Kommandant meines Regiments. Doch wenn es einen Dienst gibt, den ich euch leisten darf, so bitte ich, es mir unbedenklich zu sagen; ich werde von Herzen gern tun, was ihr wünschet. Daß ihr mich nicht erkannt habt, ist kein Wunder. Ein unbedeutender Mülasim konnte eure Aufmerksamkeit ja nicht erregen, und wenn euer Blick ja einmal auf mich gefallen sein sollte, so ist das wohl nur so kurz und vorübergehend geschehen, daß ihr euch mein Gesicht nicht merken konntet. Jetzt erlaubt mir, das eine zu bemerken: Ich gehöre zur Mehkeme und habe als Soldat die Aufgabe übernommen, euch nicht fliehen zu lassen. Diesen Verpflichtungen muß ich nachkommen; in allem andern aber, was darüber hinausgeht, werde ich euch meine Hilfe und meinen Schutz sehr gern gewähren, wenn ich auch überzeugt bin, daß Kara Ben Nemsi und sein Halef dieses Schutzes gar nicht bedürfen, obgleich sie scheinbar Gefangene sind.“
    Diese Begegnung mit dem Mir Alai war auch einer der so oft von mir erlebten Beweisfälle, daß jede gute Tat, jedes menschenfreundliche Verhalten nicht von anderer Seite her belohnt zu werden braucht, weil es Bestimmung Gottes ist, daß solche Handlungen die spätere Vergeltung ganz aus sich selbst heraus entwickeln. Übrigens schien der Oberst ein tüchtiger Offizier zu sein, da er in der gar nicht sehr langen Zeit zwischen damals und jetzt vom Mülasim zum Mir Alai avanciert war.
    Er hatte, wie schon erwähnt, so laut gesprochen, daß ihn alle hörten. Der Eindruck, den seine Worte machten, war ein für uns günstiger und sehr leicht zu bemerken. Wenn ich die freundlichen Blicke sah, welche auf uns ruhten, so kam es mir gar nicht so vor, als ob ich, ‚der von Allah verfluchte Christ‘, mich mitten unter fanatischen, christenfeindlichen Schiiten befände. Wahrscheinlich war diesem Fanatismus schon dadurch für uns die Gefährlichkeit genommen worden, daß ich vorhin die Schia so wohlwollend erwähnt und dabei auf den Glaubenshaß der Sunniten hingedeutet hatte. Sodann war mein Auftreten gegen den Sandschaki ein hier gewiß noch nie dagewesenes gewesen, ich

Weitere Kostenlose Bücher