21 - Im Reiche des silbernen Löwen II
Denk du, was du willst! Es wird sich sicher zeigen, wer den größeren Mut besitzt, du oder ich! Einstweilen will ich nur fragen, ob der Sandschaki von Divanijeh selbst weiß, was er zu tun und zu lassen hat, oder ob er einen Vormund nötig hat, der die Aufgabe besitzt, an seiner Stelle zu sprechen und zu handeln!“
„Schweig!“ fuhr mich da der Sandschaki an. „Dieser Mann ist mein Freund, und ich erlaube ihm, zu sprechen, wann und was er will!“
„Was du ihm erlaubst, kommt hier gar nicht in Betracht. Die Hauptsache ist, daß ich ihm verbiete, sich in unsere Angelegenheit zu mischen. Ich bin ein christlicher Europäer, und mein Begleiter ist ein freier Haddedihn; eure Mehkeme hat also keine Macht über uns. Und wenn ich euch die Gewalt abspreche, über uns zu richten, so muß ich es mir erst recht verbitten, daß ein Mensch, der nicht einmal hierher, sondern hinüber nach Farsistan (Persien) gehört, sich anmaßt, grob gegen uns zu sein. Wenn du es nicht für deine Pflicht hältst, ihm dies zu verbieten, werden wir es selbst übernehmen, ihm den Mund zu schließen!“
„Allah! Wie wolltet ihr das anfangen?“
„Das wird sich sofort zeigen, sobald er es wagt, uns wieder zu beleidigen. Es kommt nur auf mein Belieben an, so befinde ich mich nicht als Angeklagter, sondern als Kläger hier vor euern Augen. Vor allen Dingen erkennen wir unsere Zuständigkeit vor eurer Mehkeme nicht an.“
„So beweise, daß du ein Franke, und zwar ein christlicher bist!“
„Nichts leichter als das; es soll sofort geschehen!“
Ich trieb mein Pferd bis nahe zu ihm hin, nahm meine drei Legitimationen heraus, gab sie ihm und ließ dann den Rappen wieder an seine vorige Stelle zurückgehen. Er faltete eines der Dokumente nach dem andern auseinander, las sie durch, prüfte die Siegel und die Unterschriften sorgfältig, doch ohne ihnen die vorgeschriebenen Höflichkeiten zu erweisen, und sagte dann, wobei seiner Stimme die Enttäuschung deutlich anzuhören war:
„Es stimmt! Er ist derjenige, für den er sich ausgegeben hat. Er gehört vor einen christlichen Richter, und ich kann nichts tun, als ihn nach Bagdad bringen zu lassen.“
„Ganz recht!“ fiel ich ein. „Und dort wird es mein erstes sein, zu bezeugen, daß du dem Siegel und der Unterschrift des Padischah die schuldige Ehrerbietung verweigert hast. Es scheint, ich als Christ und Ausländer kenne die Pflichten, welche du zu erfüllen hast, weit besser als du selbst! Und nun du dich überzeugt hast, wer ich bin, legitimiere ich meinen Begleiter als den weitbekannten Hadschi Halef Omar, welcher der oberste Scheik sämtlicher Haddedihn ist vom großen Stamm der Schammar. Ich hoffe, daß niemand es wagt, an der Wahrheit meiner Worte zu zweifeln!“
Da fiel der Säfir schnell ein:
„Ich bezweifle sie! Diese Legitimationen sind gefälscht. Er will der gerechten Strafe durch sie entgehen. Man muß sie zerreißen, sofort zerreißen; dann gehört er uns und kann nichts gegen das Urteil der Mehkeme machen. Gib sie her; gib sie mir!“
Er griff zu und riß sie dem Sandschaki aus der Hand. Die Dokumente befanden sich in der größten Gefahr; ich durfte keinen Augenblick zögern, sie zu retten, riß den Revolver aus dem Gürtel, richtete ihn auf den Säfir und befahl:
„Laß sie fallen, augenblicklich fallen! Sobald auch deine andere Hand zugreift, zerschmettere ich sie dir!“
Er hielt die Schriftstücke in der Linken; mit einer Hand allein konnte er sie nicht zerreißen; dazu gehörte auch die Rechte noch.
„Du wirst dich hüten, vor der Mehkeme auf mich zu schießen!“ lachte er. „Sieh her, wie die Fetzen fliegen werden!“
Er griff mit der andern Hand zu; ich gab sofort zwei Schüsse ab. Er ließ die Legitimationen fallen, stieß einen Schrei aus, warf die verletzte Hand empor und kam auf mich zugesprungen. Ein scharfer Druck meiner Knie – der Hengst tat einen Sprung auf ihn zu und riß ihn nieder. Im nächsten Augenblicke war ich aus dem Sattel, hob mit der linken Hand die Dokumente auf, schlug mit der Rechten dem Säfir den Revolvergriff an den Kopf, daß er, schon wieder halb aufgerichtet, wieder niederstürzte, und schwang mich wieder in den Sattel.
Die ehrwürdigen Mitglieder der Mehkeme waren, wie von Spannfedern getrieben, emporgeschnellt. Sie schrien vor Entsetzen über meine Missetat; der Oberst aber rief ein wiederholtes „Afarim! (Bravo!)“ Die Zuhörer schrien auch; es gab eine Szene der Aufregung, welche ich nicht, ohne sie zu benutzen,
Weitere Kostenlose Bücher