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21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

21 - Im Reiche des silbernen Löwen II

Titel: 21 - Im Reiche des silbernen Löwen II Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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möchte sagen, ein Schauspiel, welches die regste Teilnahme für den Träger der Hauptrolle erweckte; man vergaß den Andersgläubigen und sah nur den mutigen Mann in ihm. Dazu kam, daß der Statthalter Sunnit und infolgedessen hier also überhaupt nicht beliebt war; man gönnte ihm im stillen die Zurechtweisungen, welche er erfuhr. Und als sich nun der Mir Alai mit solcher Wärme unser annahm, wurde die Stimmung eine noch freundlichere für uns. Sah ich doch, daß der alter Inder mir mit befriedigtem Lächeln zunickte.
    Ganz anders freilich verhielten sich der Sandschaki und der Perser. Sie waren über die günstige Aussage des Oberst wütend und flüsterten miteinander. Ich sah, daß der Pascher dem Beamten eifrig mitteilte, wie er sich verhalten müsse, um seine Absicht doch noch zu erreichen. Der letztere ging auf die Vorschläge des ersteren ein; wahrscheinlich gab es eine geheime Abmachung dabei, denn er reichte ihm in der Weise, wie man ein Versprechen bekräftigt, die Hand und ergriff dann, sich uns wieder zuwendend, das Wort:
    „Es ist in der vorliegenden Angelegenheit eine Wendung eingetreten, welche eine Änderung des Verfahrens nach sich zieht. Hätte der Mir Alai mir gesagt, daß er die Angeklagten kennt, so würde mein Verhalten gleich von Anfang an ein anderes gewesen sein. Haben diese beiden Männer damals dem Mir Alai durch Vorzeigen ihrer Legitimationen bewiesen, daß sie wirklich diejenigen seien, für welche sie sich ausgaben?“
    „Nein“, antwortete der Oberst. „Sie waren als Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar bekannt und wurden so genannt.“
    „Hast du vielleicht dann später ihre Legitimationen gesehen?“
    „Nein; aber ich erkläre, daß sie die Personen sind, für welche ich sie halte.“
    „Das genügt mir nicht. Da der eine von ihnen ein Christ und Untertan eines fremden Staates zu sein vorgibt und dies vielleicht nur tut, um sich unserer Gerichtsbarkeit zu entziehen, ist die größte Vorsicht und Gewissenhaftigkeit geboten. Ich muß Legitimationen sehen!“
    „Legitimationen?“ fragte Halef lachend. „Meinst du, daß ich, ein freier Beduine und Scheik meines Stammes, einen Paß bei mir trage, wenn ich einen Ritt unternehme?“
    „Du siehst aber, daß du hier einen brauchst!“
    „Wer soll ihn mir ausstellen? Wo ist die Behörde, an welche sich ein unabhängiger Ibn Arab in dieser Angelegenheit zu wenden hätte? Es gibt eben keine. Und du sagst, daß ich hier einen brauche? Warum und wozu?“
    „Weil du vor dem Gericht stehst, welches wissen muß, wer du bist.“
    „Schau dort den Ghasai an! Auch er steht vor Gericht, sogar als Zeuge; hat er dir einen Paß vorgezeigt?“
    „Das ist nicht nötig, denn der Wirt kennt ihn.“
    „Hat dieser einen Paß von ihm gesehen?“
    „Das ist gleichgültig!“
    „Maschallah! Der Mir Alai kennt uns, und du glaubst ihm nicht; einem gemeinen Mann aber schenkst du dein Vertrauen! Dieser ist ein Wirt, ein gewöhnlicher Kaffeesieder, der andere aber ein hoher Offizier! Wäre ich der Mir Alai, ich spräche wegen Beleidigung ein sehr ernstes Wort mit dir!“
    Da schnellte, obgleich diese Worte nicht an ihn gerichtet waren, der Säfir von seinem Sitz auf und rief in zornigem Tone:
    „Ist es möglich, daß ein Angeklagter hier an dieser Stelle, also vor denen, die ihn zu richten haben, sich solche Beleidigungen erlauben darf?! Er hat damit die Bastonade verdient, die ihm augenblicklich gegeben werden sollte!“
    Halef griff mit der Hand nach der Stelle seines Gürtels, wo er die Peitsche hängen hatte; er wollte eine Unvorsichtigkeit begehen; darum ließ ich ihn nicht zu Wort kommen, sondern kam ihm zuvor, indem ich dem Perser antwortete:
    „Wer bist denn du, da du dir erlaubst, hier das Wort zu ergreifen? Gehörst du zur hiesigen Mehkeme, oder bist du wenigstens ein Bewohner dieser Stadt, in welchem Fall deine eigenmächtige Einmischung doch wenigstens einigermaßen zu entschuldigen wäre?“
    „Wer ich bin, das geht dich gar nichts an!“ antwortete er in verächtlicher Weise.
    „Ich werde dir beweisen, daß es mich mehr angeht, als du jetzt zu denken scheinst. Wir haben nicht die mindeste Lust, einen Menschen sich hier einmischen zu lassen, der an einen ganz andern Platz gehört als hierher an die Seite des obersten Beamten vom Bezirk Divanijeh!“
    „Wie meinst du das?“
    „Das wirst du erfahren, sobald es mir beliebt; jetzt aber habe ich keine Lust, es dir zu sagen.“
    „Nicht keine Lust, sondern keinen Mut hast du!“
    „Pah!

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