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21 - Stille Wasser

21 - Stille Wasser

Titel: 21 - Stille Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura A. Gilman , Josepha Sherman
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war und eine Vorliebe für Fleischwurst-Sandwiches besaß.
    Lee ließ sich schwerfällig auf die niedrige Deichmauer sinken und starrte aufs Meer hinaus. Er hatte diesen Ozean einmal geliebt, damals, vor einer halben Ewigkeit. Am Anfang seiner Karriere hatte der sehnliche Wunsch gestanden, restlos alles über das schillernde und mannigfaltige Leben, das sich in ihm tummelte, zu erfahren, nach und nach bis in seine tiefsten Geheimnisse vorzudringen, um sie ihm zu entreißen.
    Er hatte nach wissenschaftlicher Erkenntnis gesucht. Was er gefunden hatte, waren Legenden.
    Legenden und Schmerz.
    »Ich vermisse dich, Maelen«, sagte er leise, da niemand ihn hören konnte. »Warum wolltest du, dass ich mich in dich verliebe? War es nur ein Spiel für dich? Hat es dir Spaß gemacht, mich so zu sehen? Hat es dir Spaß gemacht, mein Leben zu zerstören?«
    Er rechnete nicht mit einer Antwort. Er hatte niemals eine Antwort bekommen, nicht einmal in elf langen und einsamen Jahren. Lediglich vier Selkies waren ihm begegnet, seit Maelen ihn verlassen hatte. Drei von ihnen waren verendet, noch bevor er dazu kam, ihnen irgendwelche Fragen zu stellen, und das vierte hatte ihm einen Strahl Wasser ins Gesicht gespien, sich seinem Griff entwunden und über die Reling des kleinen Motorbootes, das er sich im Institut geliehen hatte, auf und davon gemacht.
    Die Säuberungsarbeiten waren immer noch in vollem Gange, wenngleich der Vorfall in den Medien beharrlich heruntergespielt wurde: »Wir haben Glück gehabt«, hieß es überall. In der Tat hätte es schlimmer kommen können, doch die Flut an Berichten, die via E-Mail oder Fax von überall entlang der Küste hereinkam – gleichermaßen von E.L.F.-Mitarbeitern wie von Umweltschützern, die allesamt ihr Bestes gaben, um die Schäden an der Natur wieder zu beseitigen – würde wohl so bald nicht abreißen. Ritchie würde noch eine ganze Weile im Laborwagen sitzen und seine Zeit damit zubringen müssen, aus den Berichten die Informationen herauszufiltern, die Lee benötigte, um das gesamte Ausmaß des Schadens zu bestimmen. Er selbst sollte sich ebenfalls wieder an die Arbeit begeben und den Job erledigen, dessentwegen man ihn im Institut eingestellt hatte.
    Doch hier an diesem Abschnitt des Strandes, an dem sich nur die natürlichen Abfälle des Ozeans angesammelt hatten, war es so leicht, sich einfach hinzusetzen und zu vergessen.
    Die Wellen spülten alles hinweg. Alles, nur nicht die Erinnerung. Und auch nicht den Schmerz.
    Lee griff in die Innentasche seines Jacketts und zog den Revolver hervor. Er wog ihn in der Hand, spürte sein Gewicht, das irgendwie etwas Tröstliches hatte. Es wäre sinnlos, wäre keine Lösung. Doch manchmal gab ihm allein die Gewissheit, dass er ihn bei sich trug, das Gefühl, er könnte die ganze Welt beherrschen.

    Xander bremste seinen Gang abrupt ab und wäre um ein Haar auf den sandigen Felsen ausgerutscht. Da war er, Dr. Lee, saß da wie ein Mann –
    Wow! Wie ein Mann mit Pistole.
    »Dr. Lee!«
    Ja, genau, mach ihn nur auf dich aufmerksam, du Hornochse, dachte er im selben Moment.
    Lee fuhr herum. Zu Xanders Erleichterung steckte er den Revolver wieder weg, ruhig und ohne jede Hektik, als wollte er signalisieren, dass von ihm keinerlei Gefahr ausgehe. „Hallo. Wir kennen uns... woher?«
    »Harris. Xander Harris. Wir haben uns an der High School getroffen, Sie erinnern sich?«
    »Ah, ja. Sie haben versucht, mich von der Bibliothek fern zu halten.«
    Xander schluckte schwer. Schöner Reinfall, dachte er. Der alte Trick mit den dummen Fragen funktioniert bei ihm wohl nicht ganz so gut wie bei unserem Mathelehrer. »Ähm, na ja – okay, ich geb’s zu. Haben wir.« Er machte eine Pause. »Aber wenn Sie wüssten...«
    Lee schüttelte den Kopf und blickte wieder auf den Ozean hinaus. »Ihr versucht etwas vor mir zu verbergen. Aber ich kann euch nicht zwingen, mir zu glauben, mir euer Vertrauen zu schenken. Ich kann nur beten, dass niemandem etwas zustößt, solange ihr eure Meinung nicht geändert habt.«
    Xander hatte mit einem dieser Höllenfeuer und Weltenbrand heraufbeschwörenden Predigertypen gerechnet. Stattdessen sah er sich einem völlig gebrochenen Mann gegenüber, mit abgezehrtem Gesicht und tief liegenden Augen. Plötzlich wünschte er, Willow wäre bei ihm. Will würde schon wissen, was sie sagen, was sie tun sollte. Er dagegen? Er war der König aller Fettnäpfchentreter, geradezu prädestiniert, im falschen Moment am falschen Ort stets das

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