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2132 - Der Saltansprecher

Titel: 2132 - Der Saltansprecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Vergessenheit geraten war.
    Sebor ging um den Pfauchonen herum und blieb hinter seinem Rücken stehen. Der Gesang schwoll an, als der Saltan in seinen Händen zuckte. Der wurmartige, behaarte Körper schien plötzlich über große Kräfte zu verfügen und wand sich mit erstaunlicher Geschicklichkeit. Im gleichen Moment ließ Sebor los. Der Saltan stieß sich von seinen Handflächen ab, schlug gegen den Hinterkopf des knienden Pfauchonen und blieb auf seltsame Weise daran hängen, fast so, als habe er sich festgesaugt.
    Rufas wandte sich ab, als die Schreie begannen und das Blut in langen Bahnen über das weiße Gewand des Pfauchonen floss. Der junge Mann war längst zur Seite gefallen, lag mit zuckenden Gliedmaßen auf dem Boden. Weißer Schaum drang über seine Lippen, während der Saltan sich unerbittlich Millimeter um Millimeter in seinen Schädel fraß. Jemand übergab sich laut würgend. Tieger, dachte Rufas, noch bevor er den Blick auf die Reihe der Absolventen gerichtet hatte. Die meisten von ihnen starrten blass und verstört auf den Boden, nur zwei hoben sich von der Gruppe ab. Die eine Ausnahme war Mege, die zusammengekrümmt auf den Steinen hockte und würgte, die andere war Tieger.
    Der hatte sich von der Gruppe gelöst, war näher an die Bühne herangetreten und betrachtete ohne erkennbare Furcht den schreienden Pfauchonen. In Tiegers Gesicht las Rufas etwas, das er noch nie zuvor darin bemerkt hatte. Neugier.
    Tieger war enttäuscht, als man den Pfauchonen von der Bühne trug. Solange es ging, sah er der wimmernden Gestalt und dem Wesen, das wie ein Pferdeschwanz aus dem Hinterkopf hervorragte, nach. Seine rechte Hand zählte die Schreie, seine linke wünschte sich, das Fell des Saltans berühren zu können. Noch nie hatte Tieger etwas so ... er zögerte, suchte nach dem richtigen Wort ... Schönes gesehen wie dieses Wesen. Es strahlte etwas aus, was er nicht verstand, aber was er immer wieder zu ,spüren hoffte. Die Schmerzen fürchtete er nicht. Schließlich war er ein Prophet und kein einfacher Pfauchone. Er würde sein Gesicht auch im Angesicht der Schmerzen wahren. „Tieger!" Eine innere Stimme sagte ihm, dass sein Name nicht zum ersten Mal gerufen wurde. Er drehte den Kopf und bemerkte die Seitenblicke der anderen Zuschauer. Verschämt stieg er die Stufen zur Bühne empor, zählte sie zur Beruhigung mit einer Hand. Das Komitee der Neun sah ihm entgegen. Sebor winkte ungeduldig und bedeutete ihm im nächsten Moment, stehen zu bleiben. Tieger folgte dem Befehl, suchte dabei mit Blicken nach Rufas und seiner Mutter, sah in der Dämmerung jedoch nur die Köpfe der Menge. Es war seltsam, angestarrt zu werden. „Du sagst nichts, du tust nichts, du stehst einfach nur da, bis ich dir befehle zu gehen", sagte Sebor leise neben ihm. „Bringen wir diese Farce mit ein wenig Würde hinter uns." Tieger nickte und begriff zum ersten Mal, dass sein oberster Lehrer ihn nicht sonderlich gut leiden konnte. Also blieb er ganz ruhig stehen und hoffte, alles richtig zu machen. Sebor hob die Arme. In einer Hand hielt er einen kleinen, dunklen Beutel, in der anderen einen sehr schmalen Löffel. Tieger fragte sich, was er damit essen wollte.
    Die Zuschauer verneigten sich tief, als Sebor zu sprechen begann. Er benutzte die gleichen Laute, die auch Rufas und seine Mutter verwendeten, wenn sie ungestört miteinander reden wollten. Tieger verstand die fremden Worte nicht, aber es gefiel ihm, ihrem Klang zu lauschen. Ihr Rhythmus vermischte sich mit dem sanften Klopfen des mukals, schläferte ihn ein, während der Geruch nach Ugazi schwer und süß auf seiner Zunge lag.
    Eines Tages werde ich auch so riechen, dachte er. Mutter hat es versprochen.
    Verhaltenes Lachen riss ihn aus seinen Gedanken. Tieger öffnete die Augen, die er unbewusst geschlossen hatte, und wäre beinahe erschrocken zurückgewichen, als er Sebor direkt vor sich sah. Sein Gesicht war gerötet, und die Hand, in der er den schmalen Löffel hielt, zitterte leicht. Tieger ahnte, dass sich seine Hoffnung, alles richtig zu machen, nicht erfüllt hatte. Sebor steckte den Löffel in den dunklen Beutel und nahm etwas heraus, was wie eine Knospe aussah. „Mach den Mund auf, beiß auf das ga'braunizisz und schluck es runter", hörte Tieger seine geflüsterten Worte. „Und dann geh mir aus den Augen, du schwachsinniger Idiot!"
    Schwachsinniger Idiot. Der Ausdruck hallte einen Moment in seinem Kopf nach, bevor er in der Schublade verschwand, die für ihn

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