2134 - Vorstoß nach Vision

immer währendes Dämmerlicht."
    Die Erwähnung von Sabals Namen erinnerte Atlan an Sihames Schicksal. „Empfängst du noch die Gefühlsausstrahlung der Prinzessin, Startac?", fragte er den Ortermutanten. „Ja, das wohl", antwortete Startac Schroeder. „Aber ihre Ängste sind noch nicht abgeklungen."
    „Ich kann nicht glauben, dass Prinzenkrieger Sabal ernsthaft daran denkt, Prinzessin Sihame etwas zuleide zu tun", sagte Trim Marath ungläubig. „Sie ist doch seine Schwester."
    „Ihre Angst ist aber sehr real", sagte Schroeder.
    Für Atlan war es nicht so unwahrscheinlich, dass Sabal seine Schwester töten könnte. Die Ehre stand für die Pfauchonen über allem, und wenn Sihame Unehrenhaftigkeit auf sich geladen hatte, war sie verloren. Prinzenkrieger Sabal würde nach keinen anderen Maßstäben als denen der Pfauchonenehre urteilen. „Was meinst du, Kuni?", fragte Atlan den Assassinen. „Wie hoch schätzt du Prinzessin Sihames Chancen ein?"
    „Schwer zu sagen", meinte Kuni Maghate unsicher. „Es hängt davon ab, wie stark Prinzenkrieger Sabal ihre Mitschuld an Prinzenkrieger Soners Verbrechen beurteilt. In der Regel wird die Ehefrau in Schuldfragen mit ihrem Gemahl gleichgestellt. Und speziell in Sihames Fall muss Prinzenkrieger Sabal voraussetzen, dass sie in die Pläne ihres Gatten eingeweiht war. Dies bietet andererseits einen positiven Effekt, der uns hoffen lässt ..."
    „Prinzessin Sihames Stimmung hat umgeschlagen!", platzte da Startac Schroeder heraus. „Ihre Angst ist wie weggewischt."
    „Was könnte das bedeuten?", fragte Atlan, der diesem Stimmungsumschwung nicht recht traute. „Es könnte der Fall eingetreten sein, den ich gerade ansprechen wollte", sagte Kuni Maghate. „Wenn Sihame mit Soners Absichten nicht vertraut war, kann niemand beurteilen, was der Prinzenkrieger mit seinem Coup eigentlich bezweckte. Daher kann Prinzenkrieger Soner nicht verurteilt werden - und ebenso wenig Sihame. Es wäre demnach eine unehrenhafte Handlung, würde Prinzenkrieger Sabal seine Schwester hinrichten. Wie es scheint, ist dieser Fall eingetreten."
    „Das wäre nur zu hoffen", sagte Atlan. „Ihr Pfauchonen und euer vertrackter Ehrenkodex!", ließ sich da der Haluter Icho Tolot mit donnernder Stimme vernehmen. „Handelt ihr denn nie nach eurem Verstand - oder wenigstens nach dem Gefühl?" Nicht nur für den Haluter, sondern auch für den Arkoniden war der Ehrenkodex der Pfauchonen nicht durchschaubar. Kuni Maghate lieferte ihm in verschiedenen Gesprächen eine Fülle von nützlichen Hinweisen. Je tiefer aber der Arkonide in die Materie einzudringen glaubte, desto widersprüchlicher erschien ihm das pfauchonische Verhaltensmuster. Den nützlichsten Hinweis hatte Atlan noch von seinem Extrasinn bekommen. Dieser verglich den pfauchonischen Begriff von Ehre mit den Ehrenritualen der altterranischen Japaner. Es gab zwischen diesen beiden Kulturen in der Tat einige Parallelen.
    Wenn man die Gräueltaten summierte, die Prinzenkrieger Soner begangen hatte, war nicht zu erkennen, auf welche Weise hier Ehre im Spiel gewesen sein sollte. Nach Atlans Vorstellungen besaß ein Prinzenkrieger offensichtlich absolute Macht und konnte diese nach eigenem, Gutdünken gebrauchen. Von Demokratie keine Spur, dachte er skeptisch. Mach es dir nicht zu einfach!, warnte der Extrasinn. Du weißt trotzdem zu wenig über die Pfauchonen, um ihr System komplett beurteilen zu können. Ein Hologramm materialisierte mitten im Raum, und ein Akustikfeld aktivierte sich. Das Gesicht eines Pfauchonen war zu sehen. Seine Stimme verkündete in Diamal, der Umgangssprache von Wassermal: „Prinzenkrieger Sabal wünscht den Arkoniden Atlan zu sprechen."
     
    *
     
    Sihame sah aus den Augenwinkeln, wie das Schwert gesenkt wurde, so dass die Klinge ihr Blickfeld durchfuhr und die Spitze auf dem Boden zu ruhen kam. Und sie hörte ihren Bruder mit belegter Stimme sagen: „Erhebe dich, Sihame!"
    Sihame verstaute ihre krijathaga unter ihrem Gewand und erhob sich auf die Beine. Ihr Blick kreuzte den ihres Bruders, und sie konnte Erleichterung in seinem Gesicht lesen, Erleichterung darüber, dass er ihr Leben hatte schonen können. Und das drückte er auch in der Ehrensprache aus. „Ich bin froh, dass du mir Gründe geliefert hast, dich nicht richten zu müssen", sagte er erleichtert. „Wenn der Saltansprecher prophezeit, dass du als einzige Prinzenkrieger Soner zur Vernunft bringen könntest, will ich ihm das glauben. Euer inniges Liebesverhältnis