2154 - Größer als das Leben
„E'Val" wies den Riesen vor ihm als Angehörigen der einzigen übergeordneten Rangstufe aus, die es bei den E'Valentern gab. Während seine Untergebenen Tests durchführten, sonnte er sich anscheinend lieber im Gefühl seiner soldatischen Macht. „Du wartest hier", grollte der E'Valenter. „Erst will ich mir anhören, was Enyuil zu sagen hat."
Der Goliath drehte sich zu dem Valenter um, der gerade zu ihnen gestoßen war, und ließ sich in einfachen Worten die Reaktion einer Versuchsperson auf bestimmte Abläufe erklären. Sogtan bekam nur Satzfetzen mit. ... Aggregat... Gewöhnung ... beachtliche Resonanz ... Er nutzte die Chance, als der E'Val ihm den Rücken zuwandte, um sich langsam zurückzuziehen. An der nächsten Abzweigung verfiel er in einen Laufschritt, der ihn schnell von der Stätte dieser Begegnung fortbrachte. Durch einen anderen Gang, der parallel zum ersten verlief, erreichte er eine halbe Stunde später seine Unterkunft und sank erschöpft auf sein Bett. Er versuchte zu schlafen, doch die Satzfetzen, die er aufgeschnappt hatte, überschlugen sich in seinem Kopf.... Aggregat... Gewöhnung... beachtliche Resonanz... Was waren das für Tests? Sie fanden offenbar unter Mitwirkung von Valentern statt. Waren das Freiwillige?
Die Unterkunft, in der'die Zwillinge nebeneinander zwei Betten belegten, fasste wenigstens dreihundert Personen, und es vergingen keine fünf Minuten, ohne dass jemand laut aufschrie und um sich zu schlagen begann. Die Wahnvorstellungen nahmen zu, nicht ab! Aber nicht so bei den Zwillingen. Sie schienen anders auf die mysteriösen Einflüsse zu reagieren. Sogtan spürte, wie sich etwas in ihm veränderte. Wenn er in sich hineinhorchte, konnte er förmlich hören, wie sein Körper Zellen aufbaute. Es war, als wäre ein Reparaturtrupp unterwegs, um Einflüssen zu begegnen, die zwar erwartet worden waren, bei denen man aber nicht genau gewusst hatte, ob sie nicht vielleicht doch ausblieben. Der Körper reagierte jetzt entschlossen, indem er unbekannte Widerstandskräfte weckte.
Seinem Bruder Kresto ging es ähnlich. Auch er nahm an sich Veränderungen wahr, die sich gründlich von denen der meisten anderen Rekruten unterschieden. Seine Wahnvorstellungen kamen nicht mehr zum Durchbruch, waberten wie ein Nebelschleier vor seinem inneren Auge und verblassten dann. Und schließlich - zur gleichen Zeit, als sie sich an einen noch unbekannten „Zustand" zu gewöhnen versuchten - begannen die ersten Rekruten zu sterben. Sogtan hatte es vorausgesehen. Eines Morgens grassierte es wie eine Epidemie in ihrer Unterkunft. Mehr Roboter als jemals zuvor tauchten auf. Sie kamen nicht mehr, um die Rekruten zu versorgen oder zu betreuen, wenn sie besonders stark unter Halluzinationen litten. Sie kamen, um die Leichen zu bergen.
Die Roboter trugen den „Ausschuss" hinaus, schlaff über die blanke Metallschulter gehängt. Einige Rekruten röchelten noch, doch die meisten waren schon im Nichts. Sogtan beobachtete, wie ein Roboter einen Jugendlichen aus einer Ecke der Unterkunft zog. Er angelte ihn an einem Bein hervor, schulterte ihn und stakste hinaus. „Ist es nicht eigenartig", sagte Kresto, der den Vorgang ebenfalls beobachtet hatte, „dass sie den Tod der Rekruten einfach abwarten? Es wäre doch möglich, sie ins Freie zu führen, wo sie vielleicht keine Halluzinationen haben. Stattdessen lassen sie sie elend sterben."
„Sicher verfolgt das einen bestimmten Zweck", antwortete Sogtan. „Es könnte sein, dass sich manchmal im letzten Moment noch Abwehrmechanismen gegen die Halluzinationen herausbilden. An der Schwelle des Todes."
Ihm kam nicht in den Sinn, die Begebenheiten im Kanister zu kritisieren. Es störte ihn auch nicht, dass er so wenig über die Verantwortlichen wusste, dass er sie nur mit sie bezeichnen konnte. Sie - um wen auch immer es sich handelte - waren jedenfalls Vertreter des Reiches Tradom, damit unfehlbar und zu jeglicher Handlungsweise berechtigt. Sein Zwilling sah es genauso. Kresto beobachtete, wie ein weiterer Rekrut aus der Unterkunft getragen wurde. Die Hand des Toten schleifte über den Boden. „Ich bin gespannt, was mit uns anderen passiert", meinte er. „Sie werden wohl ihre Pläne haben." Dann wandte er sich dem Frühstück zu, das einer der Roboter neben seinem Bett abgestellt hatte. Es bestand aus einem giftgrünen Brei mit braunen Einsprengseln, energetisch hochwertiger Vitamin-Nahrung. Heißhungrig schaufelte er das Essen in sich hinein.
Der unbekannte
Weitere Kostenlose Bücher