218 - Nefertari
Funktion auch gleichzeitig Oberlehrer, wie der Vorsitzende der Konferenz genannt wurde. (woher diese Bezeichnungen kommen, kann in den Bänden 207 und 208 nachgelesen werden.)
Drogbah stellte bei ihm den offiziellen Antrag, dass sich der Ältestenrat in einer außerordentlichen Eilsitzung mit den skandalösen Vorgängen um Yaos Politik beschäftigen solle. Wohl wissend, dass Koroh und König Yao alte Freunde waren.
Koroh, der über die Dringlichkeit von Sitzungen sowie ihrer Themen notfalls alleine entscheiden konnte, sagte zu seiner Überraschung sofort zu. Drogbah hatte damit gerechnet, erst noch seinen Vater Ruundu mobilisieren zu müssen. Der Schamane informierte die sechzehn Ältesten, die als Lehrer berufen waren. Sie sollten sich am Abend des nächsten Tages im Rektorat, dem Versammlungshaus, einfinden.
Drogbah zeigte sich zufrieden. Er ging zu seinem Haus zurück und richtete den ganzen Tag über seinen Garten. Seine Laune war jetzt deutlich besser. Selbst die kleinen Snaaks, die sich in einem Nest unter einem der Bäume häuslich eingerichtet hatten, störten ihn nicht weiter. Anstatt sie mit der Machete zu zerschlagen, wie er es früher schon getan hatte, gewährte er ihnen Obdach.
Nach Einbruch der Nacht wartete er auf seine Frau, doch Imene kam nicht. Wahrscheinlich musste sie noch länger bleiben als ohnehin schon. Erneut stieg die Wut in ihm hoch. Aber er war so müde, dass er, da er ohnehin schon auf seinem Lager ruhte, einschlief. Imenes späte Rückkehr bekam er schon nicht mehr mit.
Kurz nach der Tageswende schlichen vier finstere Gestalten den Hang hoch. Niemand sah sie, denn der Himmel war bewölkt und ließ kaum Sternenlicht auf den Boden herab. Geschickt drangen die Männer in Drogbahs Garten ein. Im Schutz der Bäume und Büsche arbeiteten sie sich bis ans Haus heran. Dort drückten sie sich an die Wand. Dann brach der Vorderste ein Fenster auf. Kurz darauf verschluckte sie die Finsternis des Hauses.
Die Einbrecher kannten sich bestens aus. Ohne sich orientieren zu müssen, huschten sie durch die Zimmer und drangen in die Schlafstatt ein. Imene, die vor lauter Überlastung noch nicht schlief, fuhr erschrocken im Bett hoch. Doch bevor sie schreien konnte, legte ihr einer der Männer die Hand auf den Mund und presste sie aufs Bett zurück. Brutal drehte ihr ein zweiter die Hände auf den Rücken, fesselte sie mit Lianenschnur und stopfte ihr einen Knebel in den Mund.
In der Zwischenzeit hatten die beiden anderen Drogbah aus dem Bett geworfen. Sie traten auf den verkrümmt daliegenden Mann ein, der stöhnte und sich mit den Armen zu schützen versuchte, aber keine Chance hatte.
Wie ein Gewitter prasselten die Tritte auf Drogbah ein. Sie trafen ihn am Leib, am Kopf, überall. Fürchterliche Schmerzen tobten durch seinen Körper. Er schmeckte Blut.
Urplötzlich ließen die Schläger wieder von ihm ab. Einer beugte sich über sein wimmernd daliegendes Opfer. »Kannst du mich verstehen?«, flüsterte er.
»J-ja.« Drogbah roch üblen Atem.
»Gut, Fähnleinführer. Betrachte das hier als Warnung deines Königs. Wenn du deinen Antrag vor der Konferenz zurückziehst, dein Maul hältst und künftig dein Möglichstes in der Armee gibst, wird dir nichts weiter geschehen. Denn das Großreich der Huutsi braucht jeden Soldaten. Verhältst du dich aber weiterhin aufmüpfig, werden wir uns beim nächsten Mal deine Frau und deine kleine Tochter vornehmen. Und es wäre doch wirklich schade um sie. Oder?«
Damit verschwanden die Eindringlinge wie Phantome in der Nacht.
Lavara stand verängstigt an der Schlafzimmertür ihrer Eltern und schluchzte.
***
Kartheem / Todeswüste
Ende Februar bis Ende April 2524
Die STERN DES SÜDENS kam gut voran, die Tage vergingen fast ereignislos. Daa’tan wünschte sich einen richtigen Überfall, um die neuen Tricks, die er mit Nuntimor gelernt hatte, praktisch anwenden zu können. Tatsächlich sichtete Grao schwarze Krieger in den Sanddünen, die das Ufer säumten. Aber die mit bunten Federn und Knochen geschmückten Speerträger kamen nicht näher heran. Sofern sie denn überhaupt feindliche Absichten hegten.
»Seit einigen Tagen wird der Fluss immer schmaler. Und er führt auch nicht mehr so viel Wasser«, stellte Yussuf fest, nachdem er mit einem steinbeschwerten Faden die Wassertiefe gemessen hatte.
»Woran liegt das?«, wollte Daa’tan wissen.
»Ich weiß es nicht, Effendi. So weit im Süden habe ich den Fluss noch niemals befahren.«
Einige Tage später
Weitere Kostenlose Bücher