218 - Nefertari
nachhing. »Das ist doch genau das, was ich brauche. Reiten wir also mal runter und sagen Hallo. Der Rest ergibt sich sicher von allein.« Er drückte seinem Tsebra die Fersen in die Flanken. Mit der Hand am Schwertgriff preschte er los.
***
Grabkammer der Nefertari
Absimbal, Ende Februar 2524
Heftige Visionen plagten die langsam verdurstende Aruula. Sie sah Orguudoos feurigen Höllenrachen vor sich, der nach ihr schnappte und sie verschlang. Sie fiel in einen endlos währenden Abgrund, überschlug sich, schnappte nach Luft. Verzweifelt versuchte sie all die Toten abzuwehren, die sie auf ihrem bisherigen Weg hinterlassen hatte. Sie griffen mit Krallenhänden aus den Wänden des gelbroten Höllenrachens nach ihr, geiferten und starrten sie mit weit aufgerissenen, toten Augen an. Die Furcht vor den Geistern ihrer Vergangenheit brachte Aruula fast um. Sie schrie, lauthals und schrill.
Zumindest glaubte sie, dass sie es tat. In Wirklichkeit kam nur ein leises Krächzen aus ihrem Mund. Denn ihr Körper saß zusammengesunken auf einem hölzernen Thron, kaum noch fähig, sich zu regen. Seit sechs Tagen war die Kriegerin vom Volk der dreizehn Inseln nun in der Grabkammer eingesperrt, ohne Wasser, ohne Nahrung. Immer seltener wurden die Momente, die sie in relativer Klarheit erlebte.
Grao’sil’aana hatte ihr das angetan, ohne dass sie es wusste. Der Daa’mure hatte sie überrascht und niedergeschlagen, als sie Hadban, dem Grabräuber, in diese Gruft gefolgt war.
Aruula schaffte es noch einmal, sich aus ihrem Albtraum zu lösen. Sie schreckte hoch. Verwirrt blickte sie um sich. Es dauerte einige Momente, bis sie begriff, wo sie war.
Sie fror. Schweiß und Schmutz bildeten eine dicken Schicht auf ihrer Haut. Ein furchtbarer Geschmack, der sich aus bitterem Schleim, Blut und Magensäure mischte, füllte ihren Mund aus. Ihre Zunge war ein einziger Klumpen.
Die Kriegerin erhob sich langsam. Schwankend stand sie da. Alles drehte sich um sie und wurde seltsam unscharf.
Einen Moment sah sie ihre Umgebung sogar doppelt.
»Wudan, hilf mir«, flüsterte Aruula, während sie sich an dem Sarkophag abstützte, der die Form eines Ankh-Kreuzes aufwies. Er war das ominöse Zeichen der Ewigkeit, das Hadban gesucht hatte und wegen dem so viele Menschen hatten sterben müssen. Sie hatte es gefunden, wenn auch unfreiwillig, aber es interessierte sie längst nicht mehr.
Jetzt, da der Tod kam, wollte sie ihm nicht begegnen. Nicht auf diese Weise jedenfalls. Konnte es einen erbärmlicheren Abgang für eine stolze, tapfere Kriegerin wie sie geben?
Aruula fühlte, wie ein Skaik an ihrem Bein hoch kletterte, einer der großen Käfer, die die Grabkammer bevölkerten. Ich muss ihn töten und seine Körpersäfte trinken, dachte sie. Wudan, gib mir die Kraft, dass ich seinen Panzer einschlagen kann…
Da ertönte wieder das leise Geräusch, das sie schon einmal gehört hatte. Wie lange war das her? Zwei Wochen? Ach nein, dann wäre sie längst tot; es konnten nur wenige Stunden vergangen sein. Sie hatte geglaubt, es sich nur einzubilden, aber da war es wieder, sie hörte es deutlich.
Langsam arbeitete sich das Geräusch in ihr Bewusstsein vor. Es klang, als würde jemand, weit entfernt, gegen Stein schlagen!
Tock… tock… tock…
Adrenalin durchflutete Aruula. Plötzlich war sie wieder hellwach. Und spürte deutlich, dass sie nicht mehr allein war.
Ein fremdes Bewusstsein war erwacht! Machtvoll, aber nicht wirklich böse, ganz sicher kein Dämon. Orguudoo schon gar nicht. Was dann? Ein – Mensch…?
Eine Gänsehaut lief über ihren ganzen Körper, als sie auf den Sarkophag starrte. Dort drinnen befand es sich, was immer es war. Oder wer immer es war.
Aruula konzentrierte ihren Lauschsinn auf den Sarg, und tatsächlich manifestierten sich erste Bilder in ihrem Bewusstsein. Sie sah Menschen, die in ungeheurem Reichtum lebten, prächtige Tempel und Grabmäler, furchtbare Kämpfe, die mit pferdebespannten Wagen geführt wurden. Ein hünenhafter, muskulöser Mann erschien. Ram – ses erfasste sie seinen Namen. Und spürte Lust und Liebe des fremden Bewusstseins, aber auch Hass auf ihren Mörder. Mo – sa. Er trug die Schuld daran, dass die Königin hier begraben lag. Sie sah die fremde Frau, wie sie sich in einem Spiegel betrachtete. Das also war sie. Wunderschön…
Aruula beschloss, Kontakt zu ihr aufnehmen. Ob ihr das die Rettung oder den Tod bringen würde, wusste sie nicht. Doch sie vertraute auf Wudan und sich selbst. Mit neu
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