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218 - Nefertari

218 - Nefertari

Titel: 218 - Nefertari Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Schwarz
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noch nicht abgeklungen war. Irgendwann wurde Daa’tan müde, sein Kopf sank nach unten. Langsam fiel sein Körper zur Seite und lehnte sich gegen Grao. Daa’tan bettete seinen Kopf an die Schulter des Echsenwesens. Regelmäßige Atemzüge hoben und senkten seine Brust.
    Was kann ich tun, um ihn aufzuheitern?, überlegte der Daa’mure. Vielleicht sollte ich ihn künftig nicht mehr in der Gestalt eines Menschenmannes begleiten, sondern als Frau. Zu ihnen fühlt er sich weitaus mehr hingezogen als zu seinesgleichen, auch wenn ich bis heute nicht begreife, warum er gerade diese schön und attraktiv findet und jene nicht.
    Ihm selbst machte es nichts aus, wen er imitierte. Für Daa’muren war eine menschliche Gestalt so gut wie die andere.
    Vielleicht nimmt ihm diese Veränderung auch einen Teil der Aggressivität, die er gegen mich hegt, überlegte Grao’sil’aana. Ja, ich glaube, dies ist ein Konzept, das uns beiden durchaus nützen kann.
    Er begann seine Schuppen zu verschieben und versuchte, möglichst detailgetreu das schwarzhaarige Kafiservis-Mädchen aus Kartheem nachzubilden, das Daa’tan bevorzugt betrachtet hatte. Es gelang ihm leidlich, und er musste die Haare länger und die Oberweite voller gestalten, um seine Körpermasse darin unterzubringen; ansonsten wäre das Mädchen über zwei Meter groß geworden. Auch die Kleidung bildete er nach und bedeckte damit so viel nackte Haut wie möglich, denn deren Oberfläche konnte nie so glatt sein wie die von Menschen, da sie sich aus Myriaden winziger Schuppen zusammensetzte. Selbst das Haar bestand nicht aus einzelnen dünnen Strängen, sondern war eine kompakte Masse, die sich nie im Wind bewegen würde.
    Schließlich, als er mit dem Ergebnis zufrieden war, stupste er Daa’tan ein paar Mal sanft an. Der junge Mann erwachte schließlich mit einem lauten Schnarcher. Schlaftrunken blickte er das schöne Mädchen an, das neben ihm saß und die Imitation eines Lächelns schenkte.
    »Wo kommst du denn her?«, murmelte er. »Bist du ein Traum?« Dann schloss er die Augen wieder und schlief weiter. Ohne sich dieses Mal an Grao anzulehnen.
    ***
    Feste Kadesch
    Nordsyrien, 1274 v. Chr.
    Wolken von gelbem Staub stiegen über der Wüste auf, der dürre Boden dröhnte unter dem tausendfachen Getrampel der Division Amun. Die dumpfen Schläge der Kesselpauken zwangen die kleinen, zähen, schweißtriefenden Soldaten zum Gleichschritt. Halbnackt marschierten sie in Sechserreihen, während seine Majestät, Pharao Ramses II., ihnen auf seinem Streitwagen vorausfuhr.
    Auf dem Streitwagen neben dem von Ramses fuhr Nefertari. Wie der Pharao und seine Offiziere hatte die Sechsunddreißigjährige das ärmelfreie Panzerhemd angelegt, das aus hartem, mit Bronzeschuppen besetzten Leder bestand. Während Ramses den blauen Kriegshelm trug, ließ Nefertari ihr schulterlanges schwarzes Haar im Wind flattern. Immer wieder lächelte sie dem Koloss zu, und Ramses lächelte zurück. Er war stolz auf seine Große Königliche Gemahlin, die wie er einen Streitwagen zu führen verstand und kämpfen konnte wie ein Mann. Denn Nefertari übte sich seit vielen Jahren fast täglich in den Kampfkünsten und war mitunter geschickter darin als Ramses selbst. Kräftige Muskeln zierten inzwischen ihren schlanken, fast knabenhaften Körper. Das war Ramses durchaus kein Dorn im Auge, denn er liebte es, wenn sie ihm im Liebesspiel zuerst so viel Widerstand wie möglich entgegensetzte.
    Natürlich sah der Pharao es nicht gerne, dass die Frau, die er so sehr liebte, auf dem Streitwagen mit in den Krieg zog. Aber erstens hatte er Vertrauen in ihre Fähigkeiten; zweitens hätte ihm Nefertari mit Liebesentzug gedroht – wie sie dies in Situationen, in denen sie ihren Willen nicht bekam, immer tat –, und drittens erwartete er ohnehin keinen großen Kampf.
    Die Kundschafter kamen zurück. Sie brachten zwei völlig verängstigte Beduinen mit. Ramses ließ seine Soldaten anhalten und pausieren.
    »Wer seid ihr?«, fragte er barsch, während die Beduinen niedersanken und nach ägyptischer Art die Hände in Kniehöhe vorstreckten.
    »Wir gehören zum Stamme der Scha-Su. Und wir wollen dir mitteilen, dass wir uns von Muwatallis abgewandt haben, um künftig an deiner Seite zu kämpfen, du Sohn der Sonne. Denn der König der Hethiter hält sich viele Tagesreisen entfernt bei Aleppo auf und fürchtet sich vor dem anrückenden ägyptischen Heer.«
    Ramses lachte laut. Die Vorstellung eines vor Angst schlotternden

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