2185 - Souverän der Vernunft
sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Dann dämmerte es ihm langsam. Vorua!
Verantwortlich für die Waffensysteme. Epsalerin, umweltangepasste Kompaktkonstitution, früher mit einer Größe von 1,51 Metern und einer Schulterbreite von 1,38 Metern fast so breit wie hoch. Jetzt doppelt so breit wie hoch. Die Andruckabsorber mussten lokal begrenzt versagt haben.
Stellenweise war die haarlose Leiche noch von dunkelbrauner, grobporiger Haut bedeckt, doch zum größten Teil konnte Zim nur noch eine undefinierbare Masse ausmachen, bei der es sich wohl um Fleisch, Muskeln und Knochen handelte, von einer gewaltigen Schwerkraft komprimiert und dann ausgewalzt.
Nicht wie in Andromeda, dachte Zim und bekam es zum ersten Mal seit dem Rücksturz in den Normalraum richtig mit der Angst zu tun. Vor seinem geistigen Auge sah er Vorua im Wortgefecht mit Bruno Thomkin, wie sie ihm schlagfertig konterte. Doch obwohl die beiden ein ziemlich ungleiches Paar gewesen waren, hatten sie einander sehr gut verstanden, und die Bordgerüchteküche hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie mehr als nur die Vorliebe für Wortgefechte miteinander geteilt hatten. Und nun ... eine blutige Masse, die kaum noch als gerade verstorbenes Lebewesen auszumachen war. Zims Blick glitt weiter, und er schrie auf.
Cita!
Die halblangen Haare der Plophoserin waren nicht mehr kastanien-, sondern rostrot. Ihre hellgrauen Augen waren rostrot, genau wie die Sommersprossen, die die Stupsnase umgeben hatten, die nun nicht mehr vorhanden war. Alles, was von ihrem Gesicht noch vorhanden war, war rostrot.
Die Augen, die Stirn und die Wangen. Cita, die ausgeglichene, kräftig gebaute Chefin der Abteilung Funk und Ortung, die in der Zentrale stets einen Pol der Ruhe gebildet hatte. Sie hatte nur wenig gesprochen, und wenn doch, hatten ihre Worte nicht nur Hand und Fußgehabt, sondern waren von bestechender Logik und Überzeugungskraft gewesen. Cita war stets zurückhaltend und freundlich gewesen, aber ebenso unverbindlich. Zim war nie so richtig an sie herangekommen.
Und würde nie mehr an sie herankommen. An das, was von ihr nicht von dem Überschlagblitz zerstrahlt und verbrannt worden war. An ein halbes Gesicht und die rechte Schulter und den rechten Arm, alles über und über von dunkelrotem Blut bedeckt. Wohl nicht Citas Blut, doch Zim wollte gar nicht wissen, wessen Blut es war. Zim hörte ein leises Stöhnen, dann fiel eine zweite Person ein und eine dritte. Einige leben also noch, dachte er. Der junge Emotionaut war froh, als sich ein Ortungsholo in' der SERT-Haube manifestierte und ihn von dem Bild der Zentrale ablenkte. Wie bei unserer Expedition nach Andromeda. Das Holo stabilisierte sich nur langsam, blieb verschwommen. Die Syntronik konnte die Daten nur unzureichend in dreidimensionale Bilder umsetzen. Auch die dazugehörigen Datenholos bildeten sich quälend langsam.
Zim erfasste die Lage auf einen Blick. Jetzt hatte er wieder rudimentären Zugriff auf das Schiff, funktionierten wenigstens einige seiner Sinne wieder, und er musste nicht mehr unablässig an die Verletzten und Toten in der Zentrale denken. Die Fernortung war vollständig ausgefallen, die Nahortung arbeitete wieder mit einigen Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität, und erste Statusanzeigen leuchteten auf. Zim pfiff leise auf. Er hätte es nicht für möglich gehalten, doch die JOURNEE besaß noch Energie. Tief in den Speichern verborgen, aber sie war vorhanden. Dann wurde das Holo so scharf, das der Emotionaut mehr als nur ein schwarzes Wabern und Wallen ausmachen konnte, und er schrie auf. Die JOURNEE raste ungebremst auf die Oberfläche eines Planeten zu!
Wie in Andromeda, dachte Zim erneut, und einerseits überkam ihn Entsetzen vor der Duplizität der Ereignisse, andererseits stellte sich ein Hauch von Hoffnung bei Ihm ein. Damals hatten sie es geschafft. Damals hatten sie überlebt. Sie würden auch diesmal überleben. Damals ... damals hatte Raye ihn gerettet, seinen geschundenen Leib geheilt, ihm neuen Lebensmut gegeben. Diesmal würde er sie retten. Ein Ruck ging durch die JOURNEE, und die Hoffnung in Zim wurde stärker. Er selbst hatte noch immer keinen Zugriff auf das Schiff, doch die internen Reparaturmechanismen waren angelaufen. Die Syntronik berechnete, was getan werden musste, um den Spürkreuzer zu retten, den rasenden Sturzflug abzubremsen.
Doch sein Schiff war noch immer viel zu schnell. Noch ein Ruck. Der Spürkreuzer schien ein wenig abgebremst zu werden,
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