2192 - Wider den Seelenvampir
graut vor dem, was du sagen wirst", murmelte Sterak Tikanath, aber Postal ignorierte ihn. „Früher", fuhr er fort, „wurde unsere Leistung anerkannt. Sie war eine Chance, in der Hierarchie unseres Volkes aufzusteigen. Auch das ist anders geworden. Dieses Prinzip wurde pervertiert ... von ihm. Wer sich in diesen Tagen durch Leistung hervorhebt, hat lediglich eine höhere Übe.rlebenschance, wenn er dem Souverän begegnet. Mag sein, dass er abwägt. Mag sein, dass er honoriert, wenn die Dhyraba'Katabe sich durch besonderes Können, besonderes Vermögen hervortun ... aber selbst verdiente Wissenschaftler ereilte bereits das Schicksal. Leistung kann Leben retten, aber nicht einmal sie garantiert es. Ich halte dies für eine Ungerechtigkeit, die ich nicht länger dulden will. Und das ..."
Postal machte eine Geste, die sie bereits kannten, die bei seinen Reden stets Großes einleitete. „Genau das ist der Grund, weshalb ich euch zu mir bat. Ihr genießt mein Vertrauen. Ich habe euch als wache Geister kennen und schätzen gelernt, denen jede Ungerechtigkeit genauso zuwider ist wie mir selbst."
Der 6-D-Mathematiker schwieg. Er prüfte die Wirkung seiner Worte, von denen er das Gefühl hatte, dass sie bereits viel zu ausschweifend gewesen waren und seinen Mitarbeitern zu viel Geduld abgenötigt hatten.
Letztlich erkannte er auch an seiner eigenen Unbeholfenheit, auf welche Gratwanderung er sich begeben hatte.
Wenn sie jetzt aufstehen, habe ich komplettes Verständnis, dachte er. Wenn sie jetzt aufstehen, kann ich mich wahrscheinlich noch auf ihr Schweigen verlassen und muss nicht...
Die Stille in seiner Kabine war fast greifbar. Postal richtete seinen Blick auf die Darstellung des Spenders in der Kabine, dann blickte er auf ein dreidimensional wirkendes Bild an der Wand. Es zeigte eine sumpfige Welt, auf die eine rote Sonne herunterblickte.
Bevor er sich in dem Bild verlor, wandte er sich wieder an seine Besucher, blickte auf sie hinunter.
Seine Stimme senkte sich zu einem Flüstern - aber eines voller Eindringlichkeit. „Wir haben uns oft unterhalten. Im gleichen Flüsterton, wie ich ihn nun benutze", sagte er. „Deshalb weiß ich, dass ihr euch Gedanken macht. Dass ihr euch nicht weniger sorgt als ich. Allein kann niemand von uns etwas bewegen, aber zusammen ..."
Er machte eine allumfassende Geste, wies auf das Bild an der Wand. „Denkt an unsere Urväter. Sie kämpften sich aus dem Schlamm einer Urwelt empor, indem sie zusammenhielten und immer wieder neue Dinge erfanden. Sie wurden die Ehrwürdigen Wissenschaftler des Reiches, weil sie tatkräftig und ehrlich zugleich waren."
Postal hob die Arme. „Es schmerzt zu erfahren, wie wir seit langem belogen werden. Die Gerüchte verdichten sich von Tag zu Tag. Selbst wenn nur ein Körnchen Wahrheit in dem steckt, was uns an Inoffiziellem über die militärische Lage erreicht, steht zu befürchten, dass uns die Inquisition ähnlich bedenkenlos verbrennt wie die Valenter. Ihr wisst, was mit Rifa passiert ist - der Schock sitzt tief in uns allen. Das Trauma wird uns ein Leben lang verfolgen. Es war unsere bedeutendste Forschungsweit, und nun ..."
„Es ist Krieg", wandte Sterak Tikanath ein. „Die Fremden aus der Milchstraße haben den Krieg in das Reich Tradom getragen. Und..."
Postal unterbrach ihn. „Das ist es ja: Alles, woraus wir unser Selbstwertgefühl zogen, hat für uns aufgehört zu existieren, ist in die Hand des Feindes gefallen. Der Schaden für die Dhyraba'Katabe ist noch unabsehbar. Doch fürchte ich, dass es damit nicht genug sein wird, dass auch uns persönlich - wie wir uns hier versammelt haben - mit allen im Hort befindlichen Lebewesen die völlige Unterwerfung, die Niederlage ... nein, mehr, das ist meine Überzeugung ..., der unehrenhafte Tod droht. Wir, die wir die Elite der Dhyraba'Katabe verkörpern, werden, so wir nicht rechtzeitig dagegensteuern, mit dem Hort untergehen!"
Die vier Wissenschaftler starrten ihn an. Er wusste, sie hegten ähnliche Gedanken, aber sie würden sie nie so offen aussprechen. Und er wusste ebenso, dass die Angst sie jetzt erst recht umklammerte.
Immerhin ... Was er gehofft hatte, aber nicht hatte voraussetzen können, schien sich zu erfüllen: Sie gaben ihm Gelegenheit, seine Ideen, seine Vision gewissermaßen, auszuf ormulieren. Auch wenn sie nicht ahnen konnten, dass es einen ganz konkreten Grund für seinen Hass auf den Inquisitor gab.
Postal Evvy machte sich dennoch nichts vor. Eine einzige unbedachte
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