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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht suchen, Effendi.“
    „Du sprichst von ihr. Sind das deine oder ihre Worte?“
    „Die meinigen.“
    „Richtig! Nun aber suchst du nach deiner Seele. Du sprichst von ihr mit mir, eben jetzt, in diesem Augenblick. Kann sie es sein, die mit mir redet?“
    „Nein. Sie ist nicht ich, sondern wir sind ich und sie. Aber wer ist es, der sich jetzt meiner Lippen bedient, um von ihr zu sprechen?“
    „Das ist Hanneh, die sich nach Allahs Himmel sehnt, der keinem Menschengeist offen steht, wenn ihn nicht seine Seele aufwärts leitet. Sie kennt den Weg, denn sie ist bei Allah daheim. Nicht so der Geist, der nichts anderes weiß und nichts weiter anerkennt als nur das, was nicht über seine irdischen Begriffe geht.“
    „So meinst du also, daß Seele und Geist verschiedene – – –“
    Sie hielt inne, denn Schakara kam zur Tür herein. Sie hatte mit ihr zu sprechen und winkte sie von Halefs Lager zu sich hin. Ich ging hinaus, vor die Säulen, wohin inzwischen meine Kissen nach dem gewohnten Platz geschafft worden waren. Dort setzte ich mich nieder.
    Ein Beduinenweib! Wie rührend dieses angstvolle Suchen nach jenem geheimnisvollen Wesen, dessen Hand uns den Schlüssel zu dem Menschheitsrätsel bietet, ohne daß wir uns die Mühe geben, seinen Flügelschlägen so zu lauschen, daß wir den rechten Augenblick erfassen könnten, den Schlüssel zu ergreifen. Der Orientale besitzt mehr Hinneigung zum Metaphysischen als der Abendländer. Es darf darum nicht wundernehmen, daß Hanneh, die nach unseren Begriffen fast gänzlich Ungebildete, der aber neben einem ungewöhnlichen Wissensdrang der leicht und schnell auffassende Scharfsinn verliehen war, ein so lebhaftes Interesse für Dinge besaß, welche jenseits des Bereichs unserer körperlichen Sinne liegen. Sie hatte schon in äußerer Beziehung Selteneres erlebt, und darum war auch ihr inneres Leben reich gestaltet. Für eine Frau von ihren Eigenschaften lag es nahe, sich über die Gesetze dieses Innenreiches klar zu werden. Und da an alles, was sich auf dasselbe bezieht, ‚seelisch‘ zu nennen pflegt, so hatte sie eben diese ‚Seele‘ zum besonderen Gegenstand ihres Nachdenkens gemacht. Freilich waren ihre Gedankenwege ganz andere, als sie der nüchterne Okzidentale einzuschlagen pflegt, der ja von seinen Zielen und Idealen verlangt, von gleicher Nüchternheit wie er selbst zu sein, doch pflegt ja wohl ein jeder gern zu behaupten, daß nur der von ihm eingeschlagene Weg der einzig rechte sei. Wohl dem, der vorwärts kommt! Wer aber, weil er den Wald wegen der vielen Bäume nicht sieht, vor lauter topographischer Gelehrsamkeit im Dickicht stecken bleibt, dem ist allerdings ein nüchternes Überlegen anzuraten, falls er wirklich wünscht, endlich einmal in das Freie zu gelangen. –
    Um die Kuppeln der Berge spielte jener sanfte, abschiednehmende Schimmer, welcher der kurzen Dämmerung voranzugehen pflegt, weil er der Scheidegruß der fernen Abendröte ist, da lenkte der Schall von Hufschlag mein Auge dem Tor zu. Kara und Tifl kehrten zurück. Bei ihnen waren der Scheik der Kalhuran und sein Weib, die ich nicht kannte. Schakara hatte das Pferdegetrappel auch gehört. Sie kam aus der Halle. Als sie die Frau Hafis Arams erblickte, stieß sie einen Ruf der Überraschung aus und eilte die Stufen hinunter, um sie zu begrüßen. Der Scheik fragte, sobald er abgestiegen war, wo der Peder zu finden sei, und wollte sich zu ihm führen lassen. Er kam nach der Halle herauf, erreichte mich aber nicht ganz, sondern sank auf der Mitte der Treppe nieder und schloß die Augen. Seine Frau kniete mit Schakara erschrocken neben ihm nieder und nahm seinen Kopf in ihren Arm.
    „Ich kann nicht mehr!“ sagte er, ohne daß er die Augen öffnete. „Tragt mich hinein!“
    Tifl eilte fort und kam sehr schnell mit einigen Kurden zurück, welche den vor unerträglichem Schmerz fast Ohnmächtigen durch die Halle in das Innere des Hauses trugen. Die anderen gingen mit. Kara allein blieb da. Ich fragte ihn, wer die beiden seien, die mit ihm gekommen waren. Er ging zunächst hinein, um nach seinem Vater zu sehen, und kam dann, mir meine Frage zu beantworten, mit seiner Mutter wieder heraus. Sie setzten sich zu mir, und dann begann er, sein interessantes Erlebnis zu erzählen.
    Er berichtete sehr sachgemäß und bescheiden. Es fiel ihm nicht ein, seine Person hervorzuheben. Wenn es einer besonderen Betonung der Person bedurfte, so ließ er diesen Ton vielmehr nicht auf sich, sondern auf Tifl

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