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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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jetzt, Hanneh?“
    „Hier.“
    „Warst du nicht soeben auch dort bei diesem Mann?“
    „Ja, das war ich, doch aber mit dem Körper nicht. Es war mein Blick.“
    „Nur dein Blick? Hast du nicht zu ganz derselben Zeit gesehen und zugleich gedacht?“
    „Allerdings!“
    „Wer war es, der sah? Wer war es, der dachte? Wo wurde gesehen? Hier oder am See? Wo wurde gedacht? Dort oder in dieser Halle? Wer ging mit dem Mann hinab? Wer zählte vielleicht sogar die Schritte und die Stufen? Wer fühlte es leise mit, wenn sein Fuß sie berührte?“
    „Ich!“
    „Aber du dachtest doch soeben, daß du nur hier, nicht aber dort gewesen seist!“
    „Maschallah! Ich war auch dort, wirklich dort! Wenn ich die Augen offen habe, kann meine Seele nur so weit gehen, wie mein Blick reicht. Aber wenn ich sie schließe, so ist sie frei und kann so weit gehen, wie es ihr beliebt. Wie ist das zu erklären?“
    „Denke selbst darüber nach! Es gibt Dinge, über welche man nur mit sich selbst fertig zu werden hat. Ich kann dir ebensowenig helfen, sie zu begreifen, wie ich dir behilflich sein kann, daß sich dein Körper aus den Speisen bildet, welche du genießt. So gebe ich dir Nahrung für den Geist und für die Seele; verdauen aber kannst du sie nur selbst. Du bist eine einsichtsvolle, kluge, wißbegierige Frau, meine gute Hanneh. Mit einer anderen würde ich niemals über diesen schwierigen Gegenstand sprechen. Und es gibt auch noch einen anderen, viel, viel triftigeren Grund, daß ich es tue.“
    „Welcher ist das, Effendi?“
    „Errätst du ihn nicht?“
    „Nein.“
    „Das wundert mich.“
    „Sage ihn nur!“
    „Denke an das, worüber du mich zuletzt fragtest, ehe ich mit deinem Hadschi Halef Omar diese Reise antrat!“
    „Erlaube, daß ich mich besinne!“
    Sie dachte nach. Dann blickte sie schnell und überrascht zu mir her und sagte:
    „Jetzt weiß ich es! Ich war betrübt über die angebliche Seelenlosigkeit der Frauen und wandte mich mit der Bitte um Auskunft an dich. Ist es das?“
    „Ja.“
    „Halef war trotz seiner Liebe zu mir stets überzeugt, daß die Frauen keine Seelen haben und also auf die Himmel Allahs verzichten müssen. Das betrübte mich. Du aber gabst mir Trost. Ich werde dir das nie vergessen!“
    „Damals gab ich dir Trost. Was aber heut?“
    „Mehr, viel mehr, nämlich Überzeugung!“
    „Sogar den Beweis!“
    „Ich sagte damals, daß du mir die Seele gegeben habest. Jetzt aber hast du noch mehr getan: du hast sie mir gezeigt. Ich weiß jetzt, daß sie da ist, in mir oder außer mir, vielleicht auch beides. Sie kann mit meinen Augen sehen; sie kann auch sehen ohne sie. Ich bin diese meine Seele, aber ich bin sie doch nicht ganz. Und hinwiederum ist diese meine Seele Hanneh, aber sie ist es auch nicht ganz. Sie ist etwas, was ich bin, und sie ist noch etwas, was ich nicht bin. Was und wo ist das aber, was sie ohne mich ist? Du siehst mich so verwundert an, Effendi. Warum?“
    „Wegen dieser deiner Gedanken.“
    „Sind sie falsch?“
    „O nein! Aber ich habe solche Worte noch nie aus dem Mund einer Frau gehört!“
    „Weil euern Frauen nicht gesagt wird, daß sie keine Seele haben. Sie sind also nicht gezwungen, sich zu grämen und über diesen angeblichen Mangel nachzudenken. Mich aber hat die Trauer darüber, daß mir die Seele abgesprochen wurde, veranlaßt, über sie nachzudenken. Und auch dann noch, als du mich getröstet und beruhigt hattest, habe ich in jeder ungestörten Stunde und gar manche ganze Nacht hindurch in mir gesucht, ob sie sich wohl offenbaren werde. Es geschah aber nicht. Dann kam ich hierher. Mein armer, kranker Halef liegt vor mir, bald wach und bald wieder ohne Bewußtsein. Ich beobachte ihn. Ich suche nach seiner Seele. Ist sie da, wenn er erwacht? Ist sie da, wenn er in halber Betäubung leise Worte redet? Wo ist sie, wenn ihm für lange, lange Zeit die Besinnung fehlt?“
    „Und vor allen Dingen, wo ist die deinige, Hanneh? Wo ist sie jetzt?“
    Da schaute sie mich verwundert an.
    „Doch wohl hier, bei mir, in mir!“ antwortete sie. „Oder ist sie es nicht, die jetzt mit meinem Mund zu dir spricht?“
    „Die Antwort auf diese deine Frage ist doch leicht!“
    „Für mich ist sie so schwer, daß ich sie nicht finden kann.“
    „So bitte ich dich, zu überlegen! Denke dir, daß du eine Freundin suchst, welche du finden willst! Bist du selbst etwa diese Freundin?“
    „Nein.“
    „Oder ist sie da?“
    „Auch nicht. Denn wäre sie da, so würde ich sie doch

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