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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ist. Habt nur einige Minuten Geduld; dann wird er fertig sein.“
    Wir hätten ihn ja auch so genommen, wie sie ihn hatten; aber wenn man an Stelle des weniger Guten etwas Besseres bekommen kann, so wäre man ein Tor, es abzulehnen. Übrigens pflegt man in jenen Gegenden dem Kaffee Gewürz beizumischen, welches nicht hineingehört. Der, welchen sie jetzt tranken, duftete ziemlich stark nach Kardamomen, und das war weder nach meinem noch nach Halefs Geschmack. Ich erlaubte mir, ihnen dies zu sagen. Der Mann antwortete so schnell und bereitwillig, daß es mir unter anderen Umständen ganz gewiß aufgefallen wäre: „Wir werden den Eurigen nicht würzen, Herr. Aber unsere Bohnen haben einen etwas bitteren Beigeschmack, der Euch ohne Gewürz mehr auffallen wird. Sie werden beim Händler in der Nähe einer bitteren Sache gestanden haben. Uns tut das nichts; Euch aber wird es ungewöhnlich sein.“
    Die Verhältnisse in den Kaufläden des Orient sind so mangelhaft, daß es gar kein Wunder ist, wenn irgend eine Sache den Geruch oder Geschmack einer anderen ‚anzieht‘. Daß der Kaffee ein wenig bitter schmecken werde, konnte also keinen irgend welchen Verdacht in uns erwecken; aber der Eifer, mit dem es mir gesagt wurde, hätte meine Aufmerksamkeit erregen sollen. Diese Leute hatten, wie wir später erfuhren, uns schon lange Zeit, bevor wir sie bemerkten, von der jenseitigen Höhe herabkommen sehen und sich aus ganz bestimmten Gründen bei unserer Annäherung so gestellt, als ob sie keine Ahnung von uns gehabt hätten. Zu dem Plan, den sie ausführten, gehörte ganz besonders auch der Kaffee, den sie uns angeboten hätten, wenn ich nicht von selbst mit meiner Bitte gekommen wäre.
    Das Frostgefühl Halefs nahm zu. Es schüttelte ihn, und darum war es wohl begreiflich, daß er, als wir das heißte Getränk bekamen, einen großen Becher voll auf einmal leerte und ihn sich auch gleich wieder füllen ließ. Ich genoß meinen Teil langsamer. Er war stark, sehr stark. Ich nahm freilich an, daß die Ursache dieser Übertreibung nur darin liege, daß wir für vornehme Leute gehalten wurden. Bitter war er allerdings auch, aber man hat in den fernen, einsamen Grenzbergen zwischen Khusistan und Luristan keine Ursache, den Feinschmecker herauszukehren, und so trank ich nach und nach ebenso viel wie der Hadschi – drei große Becher voll. Ich tat dies besonders in der Absicht, dadurch zum Wachen angeregt zu werden. Wir pflegten abwechselnd zu wachen; heut aber hatte ich mir im stillen vorgenommen, Halef nicht aus dem Schlaf zu wecken.
    Unsere Pferde grasten in unserer Nähe: Sie waren gewohnt, sich nicht von uns zu entfernen. Und ebenso gehörte es zu ihrer Eigenart, daß sie sich nur gezwungenerweise zu anderen Pferden gesellten. Sie hatten ihre ‚Geheimnisse‘. Was das heißt, habe ich an anderen Orten wiederholt gesagt. Hierzu muß noch erwähnt werden, daß sie von Halef dressiert worden waren, auf den zweimaligen Zuruf des Wortes ‚Litaht‘ (Herunter!) und einen dazwischen tönenden Pfiff jeden fremden Reiter abzuwerfen. Der Beduine liebt dergleichen Dinge und hat auch Zeit genug, sie seinen Pferden beizubringen. Sie können unter Umständen von großem Nutzen sein.
    Mein Assil Ben Rih war gewöhnt, daß ich ihm des Abends, ehe ich mich schlafen legte, die Sure ‚Abu Laheb‘ langsam und deutlich in das Ohr sagte. Er hätte keinem Menschen Gehorsam geleistet, der dies nicht wußte und also unterließ. Ich tat dies auch heut und streckte mich dann, in meine Decke gehüllt, neben Halef aus, obwohl es nicht meine Absicht war, einzuschlafen.
    Zunächst machte ich die Bemerkung, daß mich der starke Kaffee nicht nur an-, sondern sogar aufgeregt hatte. Meine Denkkraft war in die schnellste Bewegung gesetzt. Es jagte eine Vorstellung die andere; ich konnte keine Idee festhalten. Dabei war diese innerliche Ruhelosigkeit keineswegs von der äußeren begleitet. Ich bewegte mich nicht. Es fiel mir gar nicht ein, auch nur ein Glied zu rühren. Ich hatte das Gefühl, daß ich mich überhaupt nicht mehr bewegen könne, aber zum festen, klaren Bewußtsein wurde es mir nicht.
    Zuerst sah ich die sich hetzenden Gedanken trotz ihrer Schnelligkeit deutlich an und in mir vorüber fliegen. Nach und nach verloren sie ihre Bestimmtheit; sie wurden verschwommen; dann konnte ich sie überhaupt nicht mehr voneinander unterscheiden, und schließlich wußte ich von ihnen gar nichts mehr; aber auch ich selbst war mir verschwunden, vollständig

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