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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht. Das weißt du wohl. Aber ich habe dich nicht nach dem Tod, sondern nach dem Sterben gefragt. Dieses ist da, kein Mensch kann es wegleugnen!“
    „So sage mir zunächst, wie du zu dieser Frage kommst! Mein lieber, heiterer, stets lebensfroher Hadschi Halef spricht vom Sterben! Hast du etwa einen besonderen Grund zu dieser deiner Frage?“
    „Nein. Von meiner Seele, meinem Geist, meinem Verstand wurde sie nicht ausgesprochen, sondern sie ist mir aus den Gliedern in den Mund gestiegen.“
    Das klang wohl sonderbar; aber ich kannte meinen Halef. Er pflegte mit dergleichen, für den ersten Augenblick auffälligen Ausdrücken immer den Nagel auf den Kopf zu treffen. Darum wiederholte ich seine Worte:
    „Aus den Gliedern? Fühlst du dich vielleicht nicht wohl?“
    „Es fehlt mir nichts, Sihdi. Ich bin so gesund und so stark wie immer. Aber es ist etwas in mich hineingekrochen, was nicht hinein gehört. Es ist etwas Fremdes, etwas Überflüssiges, was ich nicht in mir dulden darf. Es steckt in meinen Gliedern, in den Armen, in den Beinen, in jeder Gegend meines Körpers. Ich weiß nicht, wie es heißt und was es will. Und dieses unbekannte, lästige Ding ist es, welches dich über das Sterben gefragt hat.“
    „So wird es wohl wieder verschwinden, wenn wir es gar nicht beachten, ihm gar keine Antwort geben.“
    „Meinst du? Gut; wollen das versuchen!“
    Er kehrte nach diesen Worten in sein früheres Schweigen zurück.
    Der liebe, kleine, so gern lustige Hadschi war seit gestern oder wohl schon seit vorgestern ungewöhnlich ernst und in sich gekehrt gewesen, bei ihm eine Seltenheit. Ich hatte angenommen, daß ihn irgend ein Gedanke innerlich beschäftige; nun aber wußte ich, daß dies nicht der Fall gewesen sei.
    Es war eine körperliche Indisposition vorhanden, von der ich annahm, daß sie bald vorübergehen werde.
    Wir waren von Basra über Muhammera und Doraq an den um diese Zeit ziemlich wasserreichen Dscharrahi gekommen und hatten uns von ihm in die Berge des südlichen Luristan führen lassen.
    Nun war der Fluß längst verschwunden, und wir befanden uns in einem wasserarmen Gebiete, wo der Regen höchst selten und dann nur als kurzes, aber verheerendes Gewitter aufzutreten pflegt. Die Höhen ragten schroff und steil empor. Ihre Hänge waren kahl. Man sah keinen Baum, nur hie und da einen durstigen Strauch. Die Sonne brannte am Tage heiß hernieder; die Nächte hingegen waren empfindlich kalt, und wo es in den Schluchtentiefen mit Gras bewachsene Stellen gab, da hatte dieses Grün sein Dasein nur dem Tau der kalten, wunderbar sternenhellen Nächte zu verdanken.
    Wir glaubten, morgen den obersten Zufluß des Quran zu erreichen. Dort, wo es Wald und Wasser gab, wollten wir uns ausruhen und unseren Pferden einige Tage Zeit lassen, sich von der jetzigen Anstrengung zu erholen.
    Jetzt war es Nachmittag. Wir strebten einem Höhenkamm zu, dessen Erklimmen die Kräfte unserer Pferde so in Anspruch nahm, daß wir, als wir endlich oben angekommen waren, für einige Zeit anhielten, um sie verschnaufen zu lassen.
    Tief unter uns sahen wir das leere, wild zerrissene Bett eines Regenbaches, dem wir zu folgen hatten, wenn wir den jenseitigen Gebirgszug erreichen wollten. Ich sprach die Hoffnung aus, daß sich dort ein zum Übernachten geeigneter Ort finden lassen werde. Aber Halef ging nicht, wie ich geglaubt hatte, auf diesen Gedanken ein, sondern er sagte:
    „Sihdi, ich habe es versucht, doch vergeblich. Die Frage kommt immer wieder. Wie denkst du über das Sterben? Antworte mir; ich bitte dich!“
    „Lieber Halef, meinst du nicht, daß es besser wäre, von etwas anderem zu sprechen?“
    „Besser oder nicht besser; ich kann jetzt an nichts anderes denken. Es ist, wie ich schon sagte, nicht der Tod, den ich meine. Den habe auch ich früher für etwas Wahres gehalten, jetzt aber weiß ich, daß er nichts als Täuschung ist. Wenn wir von ihm sprechen, so meinen wir eben das Sterben, welches doch kein Tod ist. Hast du schon darüber nachgedacht?“
    „Natürlich; jeder ernste Mensch wird das tun. Warum fragst du denn nicht dich selbst? Du hast doch ebenso wie ich schon Menschen sterben sehen?“
    „Nein, noch keinen!“
    „Wieso? Ich habe doch mit dir vor Sterbenden gestanden!“
    „Allerdings. Aber sterben sehen habe ich trotzdem noch keinen einzigen. Man legt sich hin; man schließt die Augen; man röchelt; man hört auf zu atmen; dann ist man gestorben. Aber was ist dabei geschehen? Hat etwas aufgehört? Hat

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