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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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abgelegenen Seite. Ich merkte das gar wohl an der Bewegung seines Pferdes, sagte aber nichts. Dieser kleine, etwas unehrliche Kniff mochte ihm immerhin gelingen.
    Barkh schoß infolge desselben mit einemmal vor, und ohne daß mein Assil diesen schnell entstandenen Vorsprung einzuholen vermochte, waren wir am Ziel angelangt. Halef natürlich zuerst. Er wendete sein Pferd herum und fragte:
    „Nun, Sihdi, wer ist Sieger?“
    „Du!“ antwortete ich.
    „Aber du lächelst ja!“
    „Ist die Schande, von dir besiegt worden zu sein, so groß, daß ich weinen soll?“
    „Du, Sihdi, verstell dich nicht! Ich verstehe dieses Lächeln. Ich habe Barkh angetrieben; du aber hast Assil zurückgehalten. Gestehe es! Sei aufrichtig! Tatest du es?“
    „Ja“, antwortete ich.
    Ich konnte es ehrlich sagen, weil ich meinen Zweck, Halef in Spannung zu halten, doch erreicht hatte.
    „Also, ich wäre unterlegen, wenn du gewollt hättest?“
    „Ja. Ich sage dir das so offen, weil es eine Ehre, ein großes Lob für dich ist.“
    „Wieso?“
    „Barkh stammt nicht von einem eurer Pferde. Assil ist ihm über, weil er bei euch geboren und von dir erzogen worden ist. Er ist unvergleichlich, weil Rih, sein Vater, unvergleichlich war.“
    „Das ist richtig. Deine Worte machen mich stolz, Sihdi. Ich war nicht ehrlich gegen dich. Du sprachst kein Wort zu deinem Hengst; ich aber habe dem meinen zuletzt den Sporen gegeben. Verzeih mir!“
    Wir waren, während wir diese Worte wechselten, abgestiegen. Wie standen unsere Pferde da! Still, als hätten sie sich schon stundenlang hier befunden. Ihr Atem ging ruhig. Es gab keine einzige Flocke Schaum und keine einzige schweißnasse Stelle ihrer Haut. Wir liebkosten sie. Da faßte Barkh mit den Zähnen Halefs Ärmel und ließ ihn nicht wieder los.
    „Weißt du, was er will?“ lachte der Hadschi.
    „Die versprochenen Datteln.“
    „Ja. Der Mensch hat auch seinen Tieren Wort zu halten.“
    Er öffnete den Futtersack und tat genau das, was er versprochen hatte: Er suchte eine Handvoll der besten Datteln aus und gab sie dem gedächtnisstarken Mahner. Hierauf sattelten wir die Pferde ab, worauf sie ohne unser Zutun augenblicklich in das Wasser gingen, bei in der Wüste geborenen Pferden eine Seltenheit!
    Die An- oder Aufregung war mit dem Ritt vorüber. Die Spannkraft ließ bei Halef schnell und sichtlich nach. Als er nach dem Zufluß des Baches ging, um von dem dort noch klaren und lebendigen Wasser zu trinken, sah ich, daß seine Schritte unsicher waren.
    Mich selbst überkam ein eigentümliches Gefühl. Es war mir, als ob ich von ebenso unsichtbaren wie unfühlbaren Händen langsam emporgehoben und dann in das Gras gelegt würde. Ich mußte mich setzen. Da begannen die Erlen um mich herum zu tanzen. Mein Kopf kam mir wie eine hohle Kugel vor, die immer größer und leerer wurde. Ich schloß die Augen. Sonderbar: Ich hörte mit den von ihm doch so entfernten beiden Ohren ganz deutlich das Klopfen meines Herzens. Jemand ergriff meine Hand.
    „Sihdi, Sihdi, was ist mit dir? Die Haut deines Gesichtes sieht wie Erde aus! Warum hast du die Augen zu?“
    Es kostete Mühe, sie zu öffnen. Halef stand gebückt vor mir. Aus seinem Blick sprach die Angst, die auch in seiner Stimme klang. Das half. Ich sprang auf und antwortete:
    „Es war ein Tanz der Bäume um mich her, den ich vorüberlassen wollte.“
    „Ganz wie jetzt oft bei mir! Die Gegend, durch welche wir kamen, drehte sich im Kreis: der Kopf schmerzte, und alle Eingeweide meines Innern wollten sich empören. Es hat mich alle meine Kraft gekostet, dir das zu verbergen und mich aufrecht zu halten. Allah verderbe dieses alte Weib! Kann sie sich nicht mit mir zufrieden geben? Bin ich ihr nicht genug, ich, der berühmte Scheik der Haddedihn, dem Tausende von tapferen Kriegern gehorchen? Muß sie ihre unbeschnittenen Fingernägel auch nach dir ausstrecken? Sie allein ist schuld, daß alles um uns tanzt! Wenn ich sie doch sehen und fassen könnte! Es sollte ihr vergehen, mit solchen Männern sich derartige Scherze zu erlauben. Komm und trink Wasser! Das kühlt das Blut und ärgert dieses Weib!“
    Er behielt meine Hand zärtlich in der seinen und führte mich dorthin, wo er getrunken hatte. Er, der Kranke, leitete mich! Was sollte daraus werden! Es galt, mich zusammenzunehmen! Ich trank, trank und trank in langen Zügen. Ich fühlte förmlich die kühle Woge, die dabei langsam und kräftigend durch meinen Körper und meine Glieder ging. Als ich mich dann

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