22 - Im Reiche des silbernen Löwen III
welchem alle Engel auf uns niederschauten. Sie kamen mir im Traum, und auch im Wachen dachte ich an sie. Sind wir nicht gesund geworden ohne alle andere als allein nur ihre Hilfe?“
„Ja, du Wackerer, du Treuer! Sie haben uns gepflegt, erst dich durch meine und dann mich durch deine Hand, obgleich diese unsere Hände so schwach, so hager, so elend waren.“
„So werden sie es jetzt auch wieder tun! Oder glaubst du das nicht?“
„Ich glaube es. Aber damals wurde ich dann erst von der Pest ergriffen, als du bereits wieder am Gesunden warst. Jetzt jedoch werden wir wahrscheinlich zu gleicher Zeit –“
„Zu gleicher Zeit?“ unterbrach er mich. „Fällt uns gar nicht ein! Wenn dieses alte Weib etwa denkt, daß alles genau so zu gehen hat, wie sie es will, da irrt sie sich! Wir haben doch auch unseren Willen! Und den setzen wir durch! Es kommt mir gar nicht in den Sinn, daß wir miteinander krank werden! Wenn wir es nicht nacheinander werden können, so werden wir es lieber gar nicht! So lange der eine krank ist und der Pflege bedarf, hat der andere gesund zu bleiben! Der Anfang hierzu ist ja schon ganz richtig eingetreten! Diese Flecken haben sich bei mir eher eingestellt als bei dir. Die Höhe der Krankheit wird also nicht zu gleicher Zeit eintreten. Vor dieser Höhe aber lege ich mich nicht nieder! Ehe es mich nicht mit tausend Armen packt, habe ich den Dinarun Wort zuhalten.“
„Halef – – –!“
„Sihdi – – –! Ich weiß, was du sagen willst. Morgen aber werden wir im ‚Tal des Sackes‘ sein, und wir sind nicht derart krank, daß wir hier liegen bleiben müssen. Übermorgen ist der Kampf vorbei, und dann werde ich ohne Widerstreben tun, was du bestimmst. Bleiben wir hier zurück, so ziehen die Dinarun nicht als unsere Freunde, sondern als unsere Feinde weiter und kommen, sobald wir hilflos sind, zurück, um sich zu rächen. Hilflos! Das war ja das Wort des Scheiks. Lassen wir es nicht zur Wahrheit werden, Sihdi!“
Dieser Beweis hatte Hand und Fuß. Wie freute ich mich darüber, daß seine Denkkraft sich noch so scharf erwies! War das dem Einfluß des kalten Bades zuzuschreiben?
Ich legte mich zu ihm, denn auch ich empfand, daß das Wasser wohltätig auf mich wirkte. Unsere Pferde weideten draußen im saftigen Gras, ein lange entbehrter Genuß für sie. Die Schatten der hohen Eschen deckten uns so, daß uns der heiße Strahl der Sonne nicht belästigen konnte. Wir fragten nicht danach, ob ein zu langes Verweilen im Wasser uns schaden könne, und verließen es erst dann, als wir anzunehmen hatten, daß die Dinarun nun bald eintreffen würden.
Als sie sich hierauf einstellten, standen wir schon zur Fortsetzung des Weges bereit.
Natürlich aber hielten nun auch sie erst Rast, auf welche jedoch nur eine halbe Stunde verwendet wurde. Dann ging es weiter, wobei wir uns, wie vorher, am Ende des Zuges hielten.
Es war während dieses Aufenthaltes der Dinarun am Teich zwischen uns und dem Scheik kein Wort gesprochen worden. Für seine Leute hatten wir freundliche Augen und höfliches Benehmen, aber auch keine Reden gehabt. Das höchst fatale Wort ‚Mißtrauen‘ verschloß ihm und uns den Mund.
Wir bemerkten mit Genugtuung, daß wir uns jetzt in einer wasser- und darum wald- und weidereicheren Höhenzone befanden. Das war ein Umstand, der uns Beruhigung gewährte. Übrigens schien die Wirkung des Bades auf uns eine ganz verschiedene zu sein. Ich fühlte mich gekräftigt, während Halef mir mitteilte, daß er sehr ermüdet sei. Er war kalte Bäder nicht gewohnt, und das heutige hatte wohl eine zu lange Dauer für ihn gehabt.
Später sah ich, daß er sich schüttelte. Die Sonne schien noch warm auf uns nieder, und darum nahm ich an, daß diese seine Bewegung eine rein zufällige sei. Als sie sich aber wiederholte, gestand er mir auf meine Frage, daß er von einem inneren Frost geschüttelt werde, und bat mich wieder um Chinin. Ich hielt es für geraten, ihm dieses Mittel jetzt vorzuenthalten und schlug ihm eine Wiederholung unseres Wettrennens vor. Sofort richtete er sich munter im Sattel auf und sagte:
„Ich bin mit Freuden einverstanden, Sihdi. Aber ich mache eine Bedingung.“
„Welche?“
„Daß wir die Pferde wechseln!“
Welch ein kleiner Schlaumüller! Ich erklärte mich selbstverständlich bereit dazu und gab ihm meinen Assil, während ich seinen Barkh bekam. Am liebsten hätten wir auf diesem Ritt den Weg eingeschlagen, den wir überhaupt zu nehmen hatten, wären da
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