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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gesehen.
    Schon nach kurzer Zeit war die Ebene zu Ende. Nun ging es in Galopp einen sanft ansteigenden Hang hinunter, quer über die Tiefe des Tales und drüben wieder hinauf. Es war eine wahre Wonne, Halef in dieser Weise so leicht, wie von aller Schwere befreit, dahinfliegen zu sehen. Bei so einem echten Beduinenritt haben beide, der Reiter und das Pferd, nur einen einzigen Willen und eine einzige Ehre!
    Der jenseitige Abfall der Höhe war steiler. Es lagen da Felsenbrocken wie ausgesät, und zwischen ihnen standen vereinzelte Koniferen. Halef mußte da den Rappen zügeln; ich den meinen auch. Mein Assil war ein besserer Kletterer als Barkh. Das edle Tier wollte nicht zurückbleiben, sondern das andere unbedingt einholen; aber sooft wir fast herangekommen waren, ging Halef mir wieder davon. Unten angekommen, griffen die Pferde ganz von selbst wieder in der früheren Weise aus. Mein Assil ließ jenen gutturalen Ton hören, welcher ein Zeichen der Ungeduld war. Er ärgerte sich, daß ich ihn zurückhielt. Da gab ich ihm die Zügel frei, richtete mich in den Bügeln auf, um mein Gewicht zu erleichtern, und rief das Wörtchen jallah aus, welches soviel wie ‚vorwärts‘ bedeutet.
    Das herrliche Geschöpf warf, vor Freude laut wiehernd, den Kopf in die Höhe, ließ ihn wieder sinken, und nun, aber nun war zu sehen, was so ein echtes Vollblut zu leisten vermag, aus freiem Willen, ohne von dem Reiter angetrieben zu werden, und nur aus reinem Ehrgefühl. Es mag Leute geben, für welche dieses Wort zu hoch gegriffen ist. Sie mögen sich ein anderes suchen. Der wahre Tierfreund aber weiß, woran er ist!
    Die Folge dieses plötzlichen Anlaufes war, daß ich Halef überholte. Da ließ er jenen lauten, scharfen Ton erschallen, welcher sich aus dem ‚a‘ und dem ‚ch‘ zusammensetzt. Der Reiter treibt mit ihm sein Tier zur Eile an, und nur eine arabische Kehle ist imstande, ihn richtig hervorzubringen. Da legte sich Barkh nun wieder in das Zeug, um Assil einzuholen.
    Ich hatte gar nicht die Absicht, voranzubleiben, sondern ich wollte, daß Halef den Weiher vor mir erreichen sollte. Aber damit war mein Pferd nicht einverstanden. Als ich die Zügel straffer nahm, begann es, zornig zu schnauben. Ich konnte mich durch eine falsche Behandlung um sein Vertrauen, um seine Hingebung bringen; darum hielt ich es für besser, ihm seinen Willen zu lassen.
    Als wir auf der zweiten Höhe ankamen, hatte der Hadschi mich wieder eingeholt. Sein Gesicht strahlte. Körper, Geist und Seele waren bei ihm in gleicher Spannung. Das war es ja, was ich gewollt hatte!
    „Sihdi, gib jetzt zu, daß ich dich besiege!“ rief er mir zu.
    „Nein!“ antwortete ich.
    „So paß auf!“
    „Du willst doch nicht etwa das ‚Geheimnis‘ anwenden?“
    „Nein. Das tun wir ja nur in größter Not. Aber paß auf, ich siege doch!“
    Er bog sich so weit wie möglich nach vorn nieder, um in aneiferndem Ton auf das Pferd einzusprechen:
    „Rascher, rascher, mein Freund! Zeige nun deine Eilfertigkeit, du Edler! Erweise mir die Liebe, schneller zu sein, du liebster aller Lieblinge! Ich bin stolz auf dich! Dein Wert ist unvergleichlich, du größter meiner Schätze! Willst du zugeben, daß ich mich vor dem Sihdi da neben uns zu schämen habe? Du weißt, daß mein Ruhm auch dein Ruhm und deine Schande auch meine Schande ist. Erhöre mich! Meine Liebe wird dir deinen Eifer lohnen. Lauf, o lauf! Flieg, o flieg, du meine Freude, meine Wonne, meine Lust! Ich gebe dir eine ganze Handvoll Datteln; die besten, die aller-, allerbesten, die ich habe, die suche ich dir aus! Denke doch, denke doch: Datteln, Datteln, Datteln!“
    Das Pferd verstand natürlich nicht den Sinn der Worte, aber die Bedeutung derselben. Das Wort Tamr, Datteln, aber war ihm wohlbekannt. Es senkte den Kopf tiefer und griff noch schärfer aus als bisher. Die Folge war, daß wir genau nebeneinander blieben.
    Unser Ritt war ein so schneller, daß der Berg, der unser Ziel war, in hoch emporstrebender Bewegung zu sein schien. Auch seine Breite gewann mit jedem Augenblick. Bald trennte uns nur noch eine muldenähnliche, grasige Bodensenkung von ihm. Es ging im schnellsten Galopp über dieses Gras. Da, rechts, floß Wasser von der Höhe. Saftiges Gebüsch bezeichnete seinen Lauf, bis, zwischen den Stämmen hoher Erlen und Eschen hervor, der Spiegel des Weihers uns entgegenglänzte.
    „Wasser, Wasser, Wasser! Endlich, endlich!“ rief Halef aus.
    Er gab seinem Rappen heimlich den Sporen der von mir

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