Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
besorgt sein würden, ist für mich eine kleine, gar nicht beachtenswerte Unpäßlichkeit, über die ich kein Wort verliere. Nun aber jetzt, da mir der erwähnte Gedanke gekommen war, tat ich das, was ich bisher versäumt hatte: Ich nahm nicht Halef, sondern einmal auch mich selbst her, um mich auf mein Wohlbefinden hin zu untersuchen, und da – man lache nicht! – geschah das Unerwartete, daß das ‚alte, zahnlose Weib‘ mir in die Ohren raunte, daß sie auch bei mir zu Gast sei.
    Der Gedanke an die Möglichkeit brachte die Erkenntnis der Wirklichkeit. Was ich bisher nicht beachtet, ja fast kaum empfunden hatte, das trat mir jetzt im Handumwenden deutlich ins Gefühl: Mein Kopf war eingenommen, meine Stimmung unlustig, mein Geist ermüdet und mein Körper nicht mehr von der gewohnten Beweglichkeit. Diese Entdeckung machte ich, und kaum hatte ich sie gemacht, so – so – – – war es mir, als ob in diesem Augenblick mein Stirnbein doppelt dick geworden sei und mir das Gehirn zusammendränge.
    Unsinn! Ich, und Kopfschmerzen haben! Geradezu lächerlich! Die reine Einbildung! Aber ich fühle ihn ja! Ist es erlaubt, an Autosuggestion zu glauben?
    Ich nahm mich zusammen und gab meinem Pferd ganz absichtslos die Sporen, daß es einen weiten Satz vorwärts tat.
    „Was ist's?“ fragte der Hadschi, indem er mir in das Gesicht sah. „Was haben deine Wangen für eine Farbe? Warum sind sie plötzlich eingefallen? Bist du krank?“
    „Fällt mir nicht ein!“ lachte ich, ohne aber dabei wirklich heiter zu sein.
    „Du, verbirg mir nichts! Meine alte Frau hat dich gegrüßt! Das wäre grad das, was uns noch fehlt! Mir ist so heiß, so heiß und so innerlich angst. Ich habe Sehnsucht nach der allergrößten Kälte, die es gibt. Vor meinen Augen drehen sich feurige Räder. Sihdi, wir müssen den Scheik fragen, ob es nicht vielleicht hier in der Nähe Wasser gibt.“
    Er trieb sein Pferd an und ritt nach vorn. Ich folgte ihm. Noch ehe wir den Scheik erreicht hatten, rief er ihm zu:
    „Nafar Ben Schuri, sag, ob es in dieser Gegend irgendwo Wasser gibt!“
    „Zum Trinken?“
    „Ja, auch! Aber noch viel mehr! So viel, daß man hineinspringen und sich baden kann.“
    Da zeigte ich mit dem ausgestreckten Arm rechter Hand nach vorn und sagte:
    „Dort ragt ein Berg, ganz dunkel blaugrün. Da gibt es Wald, wahrscheinlich sogar Laub-, nicht Nadelwald. Kennst du ihn vielleicht?“
    „Ja“, antwortete der Scheik. „Seine Kuppe trägt Nadelbäume. Weiter unten aber folgen Mürwaran und Dischbudakan (Persische Erlen und Eschen). Wir kommen an seinem Fuß vorbei.“
    „Wo Mürwaran stehen, gibt es unbedingt fließendes Wasser!“
    „Das gibt es allerdings dort. Es fließt in einen stehenden Weiher. Ich kenne ihn. Wir haben dort gefischt. In etwas über zwei Stunden werden wir ihn erreichen.“
    „So spät?“ fragte Halef.
    „Ja. Die Richtung durch die Luft ist nicht halb so weit; aber wir müssen zweimal tief in Täler hinab und jenseits wieder hinauf. Der Teich liegt an der westlichen Seite des Berges.“
    „Zwei Stunden warte ich nicht. Kommt uns nach! Wir reiten voraus. Du machst doch mit, Sihdi?“
    Er berührte, ohne meine Antwort abzuwarten, die Flanken seines Rappen mit den Sporen. Da schoß das edle Tier mit ihm davon, als ob es von einem Bogen abgeschnellt worden sei. Mein Assil Ben Rih folgte augenblicklich, ohne einen Antrieb von mir abzuwarten. Er wußte, daß er mit Barkh zusammengehörte.
    Es ging zunächst über ebenes Terrain, und da war es eine Wonne, so über dasselbe herzufliegen, als ob die Hufe den Boden gar nicht berührten. Halef jauchzte auf. Ich ließ ihn voran. Das sollte seinen Ehrgeiz anspornen und seine Energie beleben. Vielleicht hielt er dann aus! Mit abgespanntem Geist einen Weg von über zwei Stunden zurückzulegen, das hätte ihn vielleicht bis zur Niederlage ermattet. Darum rief ich ihm zu:
    „Zähle nach, Hadschi, in wieviel Minuten ich dich einhole!“
    Da warf er den Arm in die Luft und rief lachend:
    „Nie, nie! Ich zähle nicht. Es wäre eine Ewigkeit!“
    Er legte sich nach vorn. Der Luftzug riß ihm auf der Brust den Burnus auf und schwellte ihn zum Ballon. Da zog er den Saum unter dem Sitz hervor, um ihn fliegen zu lassen. Es sah aus, als ob Roß und Reiter beschwingt seien. Der Boden der Erde schwand förmlich hinter uns. Ich schaute mich um. Die Dinarun hatten ihre Pferde angehalten, um uns erstaunt nachzublicken. Einen solchen Ritt hatten sie wohl noch nicht

Weitere Kostenlose Bücher