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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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ein riesiger feuerspeiender Krater vorhanden gewesen sei, so gerade und steil stieg ringsum das schwarze Gestein zum Himmel auf. Wo lebten die Giganten, welche die Spitzen der rundum ragenden Berge abgebrochen und in solche Tiefen geschleudert hatten, daß sie in tausend Trümmer zerschmettert worden waren? Es sah ganz so aus, als ob von unheilvollen Urkräften hier einst irgendeine schreckliche Teufelei ausgeführt worden sei. Die Zwischenräume der gewaltigen Steinbrocken waren mit Farnen, Dornen und allerlei Gestrüpp so dicht ausgefüllt, daß es gewiß unmöglich gewesen wäre, hindurchzukommen, wenn es nicht ein leeres Wasserbett gegeben hätte, welches in zwar zahlreichen, aber doch gangbaren Windungen nach der anderen Seite hinüberführte. Wir folgten diesem Weg. Drüben angekommen, trafen wir auf ein zweites, noch breiteres Wasserbett, welches sich mit dem unserigen vereinigte. Nafar Ben Schuri deutete in die Richtung desselben zurück und rief uns zu: „Das ist der Weg, auf dem die Dschamikun kommen werden. Und da, gerade vor uns, seht ihr das Tor, durch welches man in das Daraeh-y-Dschib gelangt.“
    Zwei früher senkrecht stehende Felswände hatten sich einander zugeneigt, bis sie hoch oben aufeinander getroffen waren. Sobald uns dieses finstere, aus gewaltigen Massen bestehende und doch einsturzdrohende Tor aufgenommen hatte, war es so dunkel um uns her, daß es einiger Zeit bedurfte, bis wir die Augen hieran gewöhnt hatten und die nächste Umgebung zu unterscheiden vermochten. Da habe ich mich freilich wohl falsch ausgedrückt, denn es gab nur eine ‚nächste‘ und gar keine weitere Umgebung. Das Tal bestand hier aus dem Wasserbett und einem nicht viel breiteren Ufer rechter Hand, welches unsere Pferde zu erklettern hatten. Links gab es keinen solchen Rand, weil das Wasser – nämlich wenn es welches gab – direkt von der Felsenwand begrenzt wurde. Indem wir nun langsam und vorsichtig auf diesem einen und auch einzigen Ufer hinritten, begleitete uns hoch oben ein Himmelsstreifen, welcher nicht breiter als eine Hand zu sein schien.
    Die Schritte unserer Pferde erregten hier einen wahren Höllenlärm, von den zurückgeworfenen Schallwellen verzehnfacht, dumpf, hohl, ohne Höhe oder Tiefe, unbegrenzt, vollständig klang- und wesenlos. Es war ein Spektakel schattenhafter Geräusche, denen mit dem Inhalt auch das Leben fehlte.
    Später senkte sich das Wasserbett tiefer, und das Ufer wurde breiter. Wir bekamen mehr Platz. Es gab sogar Büsche solcher Arten, die keiner direkten Sonnenstrahlen bedürfen. Wir atmeten eine dicke, stehende, feuchtmodrige Luft, welche die Lungen beschwerte. Das wurde erst besser, als die Felsen oben weiter auseinander traten und uns vom Ausgang des Tals oder vielmehr der Schlucht her ein frischer Odem entgegenwehte. Dann gab es plötzlich Raum genug für uns alle und auch für unsere Pferde. Der ‚Sack‘ war zu Ende.
    Eigentlich war der Name ‚Dschib‘ nicht zutreffend gewählt für die vorhandene Örtlichkeit. Sie glich weniger einem Sack, als vielmehr einer lang- und dünnhalsigen weitbauchigen Phiole oder einer jener Flaschen, in welche der Steinwein abgezogen wird. Der lange, schmale Gang verbreiterte sich mit einem Mal zu einem großen, halbkreisähnlichen Platz, auf dem wir ganz bequem lagern konnten. Und doch hatte der Ausdruck Sack, wenigstens im vergleichenden Sinn, auch seine Richtigkeit, weil der Weg von hier nicht weiter ging. Die Bodenlinie der Flasche wurde nämlich von einem tiefen Felsenriß gebildet, dessen Ende wir nicht ersehen konnten. In diesen Riß mündete unser Wasserlauf. Es mußte bei gefülltem Bett Grauen erregen, die Wassermasse spurlos da unten in der Tiefe verschwinden zu sehen! Der jenseits des Risses liegende Teil des Berges war nicht steil gerichtet; er bildete vielmehr eine moosig grüne Böschung, auf welcher einzelne uralte Eichen und andere Laubhölzer standen. Das lockte hinüber, aber leider konnten wir nicht, weil der Felsenspalt uns von ihm trennte! Es hatte eine Brücke hinübergeführt, deren Reste wir noch sahen: zwei Urwaldstämme, darüber Querstämme und dann Steine darauf. Die Steine waren verschwunden. Von den Querstämmen reichte nur noch einer von oben bis in den Felsenriß hernieder, wo er sich eingestemmt hatte, um zu verraten, daß die Brücke nicht von der Natur, sondern durch Menschenhand zerstört worden sei. Die Dschamikun hatten Stämme und Steine in die Tiefe gestürzt, damit den Massaban die Flucht von hier

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