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22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

22 - Im Reiche des silbernen Löwen III

Titel: 22 - Im Reiche des silbernen Löwen III Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Ehrgefühl meines kleinen Hadschi brauchte nicht länger als ein kleines Viertelstündchen zu warten, um zu Worte kommen zu können. Schon nach dieser kurzen Zeit stießen wir auf eine von Süden herüberstreichende breite Fährte, welche diejenige der Dschamikun mit ihren Herden war. Gleich der erste Blick belehrte uns, daß diese Pferde- und Wiederkäuerspuren über einen Tag alt waren, ein außerordentlich wichtiger Umstand, den aber weder die Kundschafter, noch Nafar Ben Schuri beachteten. Jetzt hielt er es nun für an der Zeit, einige Worte an uns zu richten:
    „Das ist der Kreuzungspunkt, von dem ich zu euch sprach. Ihr seht, daß wir die Dschamikun glücklich eingeholt haben.“
    Eingeholt! Wie er sich irrte! Sie waren ja schon gestern hier vorübergekommen und hatten also mehr als genug Zeit gehabt, ihre Falle zu stellen. Seine Kundschafter taugten nichts. Natürlich hüteten wir uns, ihn darauf aufmerksam zu machen, daß seine Ansicht eine durchaus falsche sei. Er fuhr fort:
    „Diese Räuber und Mörder machen hier, indem sie weit nach Osten hinaus abbiegen, den Umweg, der sie in unsere Hände bringen wird. Indem wir ihnen nicht folgen, sondern geradeaus nach Norden reiten, kommen wir ihnen zuvor und gewinnen mehr als genug Zeit, das Daraeh-y-Dschib zu besetzen.“
    „Wie weit ist es von hier bis dorthin?“ erkundigte ich mich.
    „Wir sind schneller gewesen, als wir vorher dachten. Wenn wir uns sputen, können wir es noch vor dem Eintritt der Dunkelheit erreichen.“
    „Meinst du, daß die Dschamikun dann morgen kommen?“
    „Eher keinesfalls.“
    „Und unser Nachtrab? Wo bleibt der?“
    Diese Frage schien ihm ganz unerwartet zu kommen. Er machte eine verlegene Miene. Ich hatte sie ausgesprochen, weil mir daran lag, die Massaban alle zusammen in das Netz zu bekommen. Auch die, welche sich noch hinter uns befanden, sollten mit dabei sein.
    „An den Nachtrab habe ich gar nicht gedacht, weil es nicht nötig ist“, erklärte er.
    „Nicht nötig? Willst du haben, daß deine Absicht durch ihn verraten und die Ausführung desselben dadurch verhindert werde?“
    „Wieso verhindert?“
    „Sonderbare Frage! Wann wird der Nachtrab am ‚Tal des Sackes‘ ankommen?“
    „Morgen.“
    „Und die Dschamikun kommen auch morgen? Sie werden ihn sehen und sofort über ihn herfallen!“
    „Maschallah! Das ist richtig! Das muß verhütet werden! Sihdi, gib uns deinen Rat! Was meinst du, daß wir tun?“
    „Es ist nur eines möglich: Deine Dinarun haben uns zu folgen und sich noch während der Nacht bei uns im Tal einzustellen.“
    „Im Tal?“
    „Ja.“
    „Nicht an oder bei dem Tal?“
    „Nein. Wenn du fähig wärest, einen so unverzeihlichen Fehler zu begehen, würde ich mit dem Scheik der Haddedihn sofort umkehren und euch keinesfalls weiter begleiten, weil wir überzeugt sein würden, daß dein so schön angelegter Plan dann für uns unheilvoll werden müßte. Wir haben diese Nacht natürlich in dem Tal, keineswegs aber bei demselben zuzubringen.“
    „Warum?“
    Ich gab mir den Schein der Ungeduld, indem ich antwortete:
    „Denkt ihr denn gar nicht nach? Wenn wir eine ganze Nacht lang in der Nähe des Tals lagern, so gibt das Spuren, welche noch wochenlang zu sehen sind. Die Dschamikun müßten doch blind sein, wenn sie diesen unverzeihlichen Selbstverrat nicht bemerkten! Und nach einer so handgreiflichen Warnung wäre es nur Wahnsinnigen zuzumuten, in die Falle zu gehen. Der Felsengrund des Tals aber nimmt keine Spuren an, die zur vorzeitigen Entdeckung führen können. Außerdem bieten uns die hohen Steinwände Schutz gegen jede Unbill der Nacht. Und drittens befinden wir uns, wenn die Entscheidung naht, gleich frühmorgens an Ort und Stelle und können so wunderbar schön versteckt bleiben, daß bis zum letzten Augenblick kein Dschamiki ahnen kann, wie nahe sein Verderben ist.“
    Ich sah ihm an, daß ich ihn überzeugt hatte. Auch auf den Gesichtern seiner Leute, welche meine Worte gehört hatten, war nichts als Zustimmung zu lesen. Da sagte er:
    „Ich höre, daß du dir die Sache gut überlegt hast. Auch ich hatte schon so ähnliche Gedanken. Wir sind bereit, deinen Vorschlag auszuführen. Die Kundschafter mögen hier bleiben, um den Nachtrab, sobald er ankommt, hinunter nach dem Daraeh-y-Dschib zu geleiten. Nun aber müssen wir uns beeilen, weil es im Tal eher finster wird als außerhalb desselben.“
    Die Späher stiegen von den Pferden und setzten sich nieder. Der Zug ritt weiter, ich mit Halef

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