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220 - Die Reise nach Taraganda

220 - Die Reise nach Taraganda

Titel: 220 - Die Reise nach Taraganda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald M. Hahn
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steckt.«
    Dietherr wusste, wie das Leben ablief. Dass Ostwald für ihn arbeiten durfte, verdankte er einem Toningenieur, dessen Tochter er aus den Fängen der Leverkusener Kasachen-Mafia gerettet hatte.
    »Sag’s mir.« Ostwald wartete ab.
    »Er ist mit ihr von Köln nach Casablanca geflogen«, sagte Dietherr. »Laut den Typen, die sie zuletzt gesehen haben, sah sie krank aus.« Er hustete nervös. »Ich wette, die Sau hat sie inzwischen auch mit der Nadel bekannt gemacht.«
    »Das klingt aber nicht gut«, sagte Ostwald.
    »Ich hab ‘n Flug für dich gebucht«, sagte Dietherr. »Du düst um Mitternacht von Wahn direkt nach Casablanca ab. Allein. Mit ‘nem Learjet. Gehört ‘nem Freund aus der Branche. Du brauchst dich um nix zu kümmern.« Er räusperte sich. »Der Pilot gibt dir auch ‘n paar tausend Kröten – für Spesen und eventuelle Bestechungsgelder. Hast du ‘n gültigen Pass?«
    »Klar.« Ostwald nickte, obwohl Dietherr ihn nicht sehen konnte.
    »Kannst du dich auf Französisch verständigen?«
    »In Marokko?« Ostwald dachte an seine libanesische Mutter.
    »Das war mal ‘ne französische Kolonie«, sagte Dietherr. »Die Leute da sprechen eher Französisch als Englisch.«
    »Ja, kann ich.« Dass er auch fließend Arabisch sprach, behielt er für sich. Für jemanden in seiner Lage war es nicht gut, wenn zu viele Menschen über ihn Bescheid wussten. Der Gedanke an ein paar Tausend Euro wärmte sein Herz. »Erzähl mir ‘n bisschen mehr über deine Tochter. Was genau hat sie? Ist sie gefährlich?«
    »Melanie ist manisch-depressiv.« Dietherr räusperte sich nervös. »Heute ‘ne Frohnatur; morgen glaubt sie, der Teufel sitzt ihr im Nacken.« Er seufzte traurig. »Sie hört Stimmen. Sie weiß, dass es nicht der Teufel ist, aber das Geschwätz macht sie verrückt. Sie schlafwandelt. Sie räumt im Schlaf ihre Wohnung um. Einmal ist sie geschlagene zwei Wochen durch die Stadt geirrt. Sie hat keine Ahnung, wo sie war.« Dietherr knirschte mit den Zähnen. »Aber mit dem ganzen Scheiß hat sie erst zu tun, seit diese Sau Hadibi ihr Koks in die Nase gepustet hat…«
    Zum Tangotanzen gehören immer zwei, dachte Ostwald, doch er hütete sich, es auszusprechen. Der Schmerz eines Vaters war gegen jede Logik gefeit. »Ich soll sie also aufspüren«, sagte er. »Und dann?«
    »Melanie ist leider erwachsen«, sagte Dietherr. »Wenn sie nicht von allein mitkommt, lass dir was einfallen. Engagiere in Casablanca alles Personal, das du brauchst, um sie aus dem Land zu holen. Bring sie irgendwie raus. Geld spielt keine Rolle. Wenn du Unterstützung aus Deutschland brauchst, ruf Jens-Uwe an.« Jens-Uwe war ein Börsenmakler, dem Dietherr vertraute. Ostwald hatte seine Nummer. »Jens-Uwe hat weltweite Verbindungen; der schickt dir jederzeit ‘ne private Maschine oder mehr Geld.«
    Mehr Geld? Klang gut. »Das ist alles?«
    »Wenn die Sau sich zufällig ein paar Gräten bricht, weil sie ‘ne Treppe runterfällt oder so«, knurrte Dietherr, »lass ich mir jeden Knochen tausend Euro Extra kosten. Für den Hals geb ich noch ‘n Bonus.«
    Ostwald drückte die Kippe aus. Er musste sich ein Lachen verbeißen. So leid Dietherr ihm auch tat, so sehr er den Schmerz des Mannes verstand – es widerstrebte ihm, jemanden zu quälen, damit ein anderer in Rachegefühlen schwelgen konnte.
    Wäre Melanie seine Tochter gewesen… Wer wusste schon, wie man reagierte, wenn’s ums eigene Kind ging? Blieben Gegner der Todesstrafe ihrer Gesinnung eigentlich auch dann treu, wenn sie erfuhren, dass jemand ihr Kind in kleine Würfel zerschnitten und einem Pitbull-Rudel zum Fraß vorgeworfen hatte?
    »Wie heißt der Kerl mit vollem Namen?«
    »Jussuf Ben Hadibi.«
    »Marokkaner?«
    »Libanese.«
    »Wie alt?«
    »Ende zwanzig.«
    »Was macht er?«
    »Er ist Sohn von Beruf.«
    »Sohn?«
    »Sohn eines Spekulanten, der sein Geld in London und Paris macht. Hat Geld wie Heu. Sein Vater, meine ich.«
    »Und Jussuf?«
    »Kriegt mehr Taschengeld, als ein Stabsoffizier verdient. Ist in Eton erzogen worden. Polyglott. Vermutlich auch polymorph. Treibt sich in den europäischen Hauptstädten rum. Kennt Filmstars und Musiker sowie jeden reichen Bengel an der Cote d’Azur und in Monaco, der sich gern die Nase pudert oder sich Koks in den Arsch schiebt.«
    »Was?« Ostwald wurde hellhörig. »Ist das jetzt die neueste Mode?«
    »Du bist ja so naiv, Omar«, sagte Dietherr. Plötzlich hielt er inne. »Sag mal, ist Omar nicht ‘n arabischer Name?«
    Ostwald

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