2204 - Planet der Mythen
Rest.
„Ich glaube auch nicht", sagte er kauend, „dass sich das Bild an uns richtete, sondern vielmehr an jeden, der in diese Gegend gelangt. Vielleicht meinen die Vay Shessod das mit den Trugbildern der Schildwache."
Das war zwar eine ungewöhnliche Legende, aber Atlan bezweifelte ,dass wirklich mehr dahinter steckte. Das niedrige Bildungs- und Technologieverständnis des Jägervolks ließ eher darauf schließen, dass sie bestimmte Umstände falsch interpretiert hatten.
Mehr als ein Märchen in solchen Legenden zu sehen war eine typisch menschliche Eigenart. Und das sagte er Rhodan auch.
„Du meinst, ich romantisiere dieses Volk?", erhielt er als Antwort. „Da spricht wohl eher die arkonidische Arroganz. Du solltest auf der Erde gelernt haben, dass ein Volk nicht unbedingt Unrecht hat, nur weil es primitiv ist."
Atlan setzte zu einer Antwort an, aber etwas auf dem Ozean ließ ihn stocken. Sie hatten dicht am Ufer gelagert, um auf Sand und nicht auf Eis schlafen zu können.
,Der Blick auf das Wasser war frei.
Er sah gewaltige Rochen, ähnlich denen, die am Nachmittag die Vögel erlegt hatten. Aber diese hier leuchteten wie Regenbogen. Lumineszenzstoffe sorgten dafür, dass die unterschiedlichsten Farben über ihre Körper glitten und die Umgebung so weit erhellten, dass Atlan sogar die Fische sehen konnte, die auf sie zuschwammen. Die Rochen hatten die Mäuler geöffnet und mussten nicht mehr tun, als sie gelegentlich zu schließen. Die Fische schwammen von selbst hinein, wurden vermutlich durch einen Paarungsdrang förmlich hineingetrieben.
Lautlos glitten die leuchtenden Rochen zwischen ihnen hindurch. Ihre Leuchtkörper überschnitten sich, bildeten Farben und Formen, die Atlan ?noch nie gesehen hatte. Die Monde, die rot verschwommen am Himmel hingen, verliehen der Szene etwas Surreales.
„Wie viel Schönheit im Tod sein kann", sagte Rhodan leise.
Es war der typische Satz eines romantisierenden Menschen, aber zumindest dieses Mal wollte Atlan nicht widersprechen. Die Rochen zelebrierten die Jagd auf ihre Beute wie ein Ballett.
Nach und nach verloschen die Lichter, und Dunkelheit senkte sich über das Wasser. Die Rochen verschwanden, schwammen wohl zurück in den tiefen Ozean, wo sie irgendwann selbst Opfer eines größeren Jägers werden würden. Es war ein Kreislauf, der sich auf allen bewohnten Welten wiederholte und nichts und niemanden verschonte. Alles, was lebte, musste sich dem unterordnen.
Gilt das auch für Galaxien, für Imperien, für dich?, fragte der Extrasinn nicht ohne Ironie.
Atlan zog die Felle über seine Schultern und schloss die Augen.
*
Das Leben auf dem Ozean war zeitlos. Jeden Morgen packten Rhodan und Atlan ihr Lager zusammen, dann fuhren sie auf das Wasser hinaus und wandten sich nach Süden. Sie ruderten bis zum Mittag, machten Pause und angelten das Abendessen. Danach ruderten sie weiter, bis die Sonne unterging.
Es war monoton, aber auf eine seltsame Art entspannend. Wenn es Rhodan gelang, die Sorge um die Milchstraße und die vielen ungelösten Fragen aus seinen Gedanken zu verbannen, war er beinahe zufrieden.
Er blickte hinaus auf den Ozean.
Seit fünf Tagen fuhren sie nun schon an der Küste entlang, ohne einen einzigen Hinweis auf eine Zivilisation zu finden.
Die Jäger und Fischer, die auf ihrem Weg in die Stadt ab und zu hier vorbeikommen mussten, bauten keine Hütten und hinterließen keine Spuren, die Rhodan mit seinem ungeschulten Blick entdeckt hätte: Die Landschaft wirkte so unberührt, dass er sich zum' ersten Mal seit langem nicht als Staatsmann oder Raumfahrer fühlte, sondern tatsächlich als Entdecker. Das tat gut.
Mit einer Hand wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte den Eindruck, dass es seit dem vorherigen Tag ein wenig wärmer geworden war, auch wenn die Landschaft schroffer wurde und gewaltige Gletscher bis ans Wasser reichten.
Eisberge trieben über den Ozean.
Wenn sie in die Nähe des Boots gerieten, war ihr Knirschen und Krachen so laut, dass man sich kaum noch unterhalten konnte.
In der letzten Nacht war Rhodan von einem infernalischen Donnern geweckt werden. Eine Eisklippe musste abgebrochen und ins Meer gestürzt sein. Die Wellen, die durch den Aufprall entstanden, hatten das Lager beinahe überflutet.
„Siehst du das?", hörte er Atlan hinter sich fragen. „Rechts von dir auf der Eisscholle."
Rhodan drehte den Kopf. Aus den Augenwinkeln hatte er die Schemen auf der Scholle für die Schatten von Felsen
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