223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
zeigte mir Farley die Times mit meinem Nachruf.“
„Mit deinem Nachruf?“
„Meine Eltern hatten mich für tot erklärt. Farley berichtete mir, es gebe sogar ein Grab mit einem Stein, auf dem mein Name steht.“
„Die ganze Familie sollte zur Hölle fahren“, fluchte Devlin, der immer mehr Mühe hatte, Ruhe zu bewahren.
Fast noch schlimmer war für ihn die Erkenntnis, dass er bei seinem ersten Besuch bei Madeleine hätte handeln sollen. Sie hätte bei Serena oder bei einer seiner Schwestern unterkommen können, die alle ein gutes Herz hatten und wussten, wie sie sich um das Mädchen hätten kümmern können. Stattdessen war er einfach fortgegangen und hatte sich mit der Erinnerung an sie begnügt.
Ohne weiter über das Thema zu reden, gingen sie durch den Park zurück zur Wohnung. Madeleine widmete sich der Hausarbeit, während Devlin mit Linette eines der Bücher durchblätterte und ihr die Pferdebilder zeigte. Seine Gedanken kreisten immer noch darum, dass er Madeleine vor drei Jahren einfach im Stich gelassen hatte. Er stattete Miss Duprey nicht den nachmittäglichen Besuch ab, den sie eigentlich von ihm erwartete. Er ging auch nicht zu Mrs Drummond-Burrells Musikabend, obwohl der als das Ereignis der Saison galt. Stattdessen ging er lange durch Kälte und Nieselregen spazieren.
Als er nach Hause zurückkehrte, hatte Madeleine sich in ihrem Bett schlafen gelegt. Er setzte sich zu ihr auf die Bettkante, sie schlug die Augen auf. Im Schein der Kerze sahen sie gerötet aus. Er blies die Flamme aus, nahm Madeleine hoch und trug sie in sein Zimmer.
In der dort herrschenden Dunkelheit liebten sie sich, ohne ein Wort zu sprechen. Es war auf diese Weise intensiver und melancholischer, da Devlin Madeleine nicht sah, sondern nur fühlte und einzig ihr heftiges Atmen zu hören war. Ihm kam es ein wenig so vor, als sei sie bereits zum Teil aus seinem Leben verschwunden, während er sich verzweifelt an dem festklammerte, was ihm noch von ihr geblieben war.
Nachdem sie beide ihr Verlangen gestillt hatten, schwiegen sie weiter. Devlin hielt sie an sich gedrückt und brachte noch immer kein Wort heraus. Er konnte nichts anderes machen, als sie festzuhalten, bis sie beide endlich einschliefen.
Am Morgen verließ Madeleine vorsichtig sein Bett, damit sie Devlin nicht weckte. In dem Durcheinander aus dem am Boden liegenden Kleidungsstücken entdeckte sie ihr Nachthemd. Als sie es anzog, sah sie hinüber zu Devlin, der entspannt und friedlich schlief. So ruhig hatte sie ihn seit der Begegnung mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nicht mehr gesehen. In diesem Augenblick sah er Linette so ähnlich, dass niemand an seiner Vaterschaft hätte Bedenken hegen können. Sie selbst zweifelte längst nicht mehr daran, sondern akzeptierte es als eine der vielen Widersprüchlichkeiten in ihrem Leben – so wie die Tatsache, dass sie Devlin verlassen musste, weil sie ihn liebte.
Seit dem Besuch in der Buchhandlung hielt sich bei ihr dieses unheilvolle Gefühl, dass das Ende nah war, was den neuen Tag nur noch betrüblicher machte.
Während sie in der Küche für Linette das Frühstück bereitete, wurde ihr bewusst, dass sie in der ersten Zeit in Devlins Haushalt überhaupt nichts Nützliches hatte tun können. Inzwischen war sie in der Lage, einfache Gerichte zu kochen, sauber zu machen, Staub zu wischen und leichte Näharbeiten zu erledigen. Sie wusste, wie man einkaufen ging und mit den Geschäftsleuten über den Preis verhandelte. Es gab keinen Zweifel daran, dass sie bereit war, auf eigenen Beinen zu stehen.
Bart kam in die Küche und machte eine besorgte Miene.
„Was ist los, Bart?“
„Sophie geht es gar nicht gut“, erklärte er ernst.
„Soll ich nach ihr sehen?“
Er nickte gequält.
Barts Zimmer war spärlich eingerichtet, die hier herrschende Ordnung war ein krasser Gegensatz zum Durcheinander in Devlins Schlafzimmer. Sophie lag auf dem Bett und atmete angestrengt. Ihr Gesicht war fast so weiß wie das Bettlaken, und unter den Augen hatte sie dunkle Ringe. Als sie Madeleine bemerkte, lächelte sie schwach.
„Wir sollten besser den Arzt rufen“, sagte Madeleine.
„O nein“, erwiderte Sophie schwach. „Das ist nicht nötig. Mir geht es gleich wieder besser.“
„Wie du meinst.“ Madeleine streichelte aufmunternd ihre Hand. „Ich werde dir einen Tee bringen, einverstanden?“
Ihre Freundin nickte dankbar, dann fielen ihr vor Erschöpfung
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