223 - Gaston, Diana - Die mysteriöse Miss M
wenigsten ausstehen konnte. Dieser Besucher war schlank und machte einen muskulösen Eindruck, wie man es von einem Soldaten auch erwarten durfte.
„Mein Gott!“, rief er aus und wäre fast gestrauchelt, als er sie sah.
„Ich fürchte, Mylord, der Titel steht mir nicht zu“, gab sie zurück. Im Kerzenschein konnte sie das Gesicht des Soldaten besser erkennen, der sie angesichts ihrer Antwort so amüsiert angrinste, dass sie Mühe hatte, sich ernst zu halten.
„Nein, natürlich nicht.“ Seine grünen Augen funkelten belustigt. „Es dürfte wohl auch mein Glück sein, dass Sie nicht der Allmächtige sind, Miss …“
„Miss M.“ Er war ein Charmeur. Sie kannte Männer seines Schlages. Dieses kavalierhafte Verhalten verlor sich schnell, sobald sie sich genommen hatten, was sie von ihr haben wollten.
„‚Die mysteriöse Miss M.‘ Jetzt erinnere ich mich.“ Er ließ sich neben ihr auf dem Diwan nieder. „Ich bitte um Verzeihung, aber ich war ein wenig erschrocken. Dass Sie wirklich wie eine junge Dame aussehen würden, hatte ich nicht erwartet.“
„Ich bin eine junge Dame“, erwiderte sie und spielte ihre Rolle.
„Wahrhaftig“, stimmte er ihr zu. In seinen Augen war ein anerkennender Ausdruck zu sehen, in der linken Wange bildete sich ein Grübchen, als er den Mund verzog. „Ich schwöre Ihnen, Sie sind das Wunschbild von einer Dame. England hat die hübschesten Frauen zu bieten. Ich glaube, ich muss mich für diese ärmliche Uniform entschuldigen.“
Er hielt ihr seinen Fuß hin und zwinkerte ihr zu, während sie am Stiefel zog. Obwohl das Leder ordentlich poliert war, strichen ihre Finger über Kratzer und Schrammen. Ob sie ihren Ursprung auf einem Schlachtfeld hatten? Als sie den Stiefel schließlich weit genug vom Fuß gezogen hatte, um ihn ganz abzustreifen, verlor der Mann für einen Moment den Halt und wäre fast vom Sofa gefallen. Madeleine verdrehte die Augen.
„Habe ich Sie mit meiner Geschicklichkeit beeindrucken können, Miss M.?“, fragte er lachend.
„Allerdings, Mylord. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich das letzte Mal so gut unterhalten wurde.“
Amüsiert drehte er sich so herum, dass sich sein Gesicht dicht vor ihrem befand. Sein Ausdruck hatte mehr Schalkhaftes als Lüsternes an sich. „Und ich dachte schon, ich sei derjenige, der unterhalten werden soll.“
Madeleine fiel es schwer, ein Lächeln zu unterdrücken. Mit einem Finger zeichnete er die Konturen ihrer Lippen nach. Seine Augen strahlten auf einmal etwas überraschend Sehnsüchtiges aus, während sie selbst eine Hitze in sich aufsteigen fühlte, auf die sie nicht gefasst war und die sie am liebsten zum Fächer hätte greifen lassen. Mit der Zunge fuhr sie sich über den Mund, als könne sie so die irritierende Berührung fortwischen. Gleichzeitig atmete der Soldat heftig ein und sah sie so eindringlich an, dass sie nicht anders konnte, als den Blick zu senken.
Dieser Mann entsprach ganz dem Wunschtraum, den sie sich in ihren einsamsten Stunden ausgemalt hatte. Er war wie ein strahlender Ritter auf einem prachtvollen weißen Hengst, der sich im Turnier dem finsteren Lord stellte und um ihre Freiheit kämpfte. Oder wie ein Pirat, der gegen die Obrigkeit kämpfte und auf seinem Schiff mit ihr davonsegelte. Er war der Soldat, der sie mit gezücktem Säbel von Farley befreite und ihr für alle Zeiten Sicherheit gab.
Was für ein Unsinn! Er war nichts davon, seiner Uniform, seines dunklen, lockigen Haares und seiner sonnengebräunten Haut zum Trotz. Seine wundervoll ausdrucksstarken Augen und sein kantiges Gesicht erweckten allerdings den Eindruck, als sei er kampferfahren.
Farley war auch einmal ein solcher Wunschtraum gewesen, als sie sich ausgemalt hatte, er werde sie ins Ehebett mitnehmen, nicht aber in dieser Kammer hier festhalten.
Der Soldat streifte seine Jacke ab, sein aufgeknöpftes, locker sitzendes Hemd ließ etwas von seinem schwarzen Brusthaar erkennen. Madeleines Blick war wie gebannt davon, und ihre Finger kribbelten, da sie zu gern gewusst hätte, wie sich das lockige Haar wohl anfühlte.
Ach, als wenn es sich in irgendeiner Weise anders anfühlen könnte als bei den übrigen lüsternen Männern, die sich so gierig auf sie stürzten, dass sie ihre Hände gegen deren Oberkörper drücken musste, um überhaupt noch atmen zu können! Sie legte eine Hand auf ihre Brust und wunderte sich, von welcher Laune sie erfasst worden war, dass
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