2235 - Todesspiele
Wunde.
Im selben Moment erlosch das Thermofeuer. Doch es war zu spät. Niemand stand mehr auf den Beinen. Leichen bedeckten den Boden, Leichen lagen auf den Würfel- und Kartentischen, Leichen türmten sich vor den Spielautomaten. Das Stöhnen der Verwundeten wurde leiser und verstummte ganz.
Bleierne Stille senkte sich über den Raum. Die illusionsbefeuerte Raserei hatte nur Minuten gedauert, aber das hatte genügt, um das Casino in ein Totenhaus zu verwandeln. Benommen trat Stay Kalgandir zu Thau. Der Magier lebte noch.
„Warum?", fragte der Spieler heiser. Er machte eine hilflose Handbewegung. „Warum hast du das getan?"
„Durfte nicht verlieren", stieß der Ornithoide hervor. „Musste gewinnen. Musste leben..." Er ächzte.
Der Glanz seiner Knopfaugen wurde matter. „Die Friedensfahrer ... sie kommen ... niemand kann sie aufhalten. Und wenn sie kommen ... kommt... Entkörperlichung."
Ein Krampf schüttelte das Vogelwesen, dann lag es reglos da.
Kalgandir starrte den toten Magier an. Die Friedensfahrer, dachte er. Wer sind die Friedensfahrer?
Aber der Tote konnte ihm keine Antwort mehr geben, und so wandte er sich ab und kehrte zu Sgarde zurück. Sie erwachte soeben aus ihrer Bewusstlosigkeit und blinzelte ihn verwirrt an. Er reichte ihr seine Hand.
„Komm", sagte er sanft. „Die Spiele sind vorbei."
„Vorbei?", wiederholte sie wie betäubt. Entsetzen verdüsterte ihr hübsches Gesicht, als sie die vielen Leichen sah. „Aber was ist...?"
„Später", unterbrach er und zog sie auf die Beine. „Ich werde dir später alles erklären. Komm jetzt, Sgarde. Wir dürfen keine Zeit mehr verlieren."
Er wandte sich zur Tür, und sie folgte ihm voller Vertrauen. Gemeinsam verließen sie das Weiße Casino und machten sich auf den Weg zum rettenden Schiff.
EPILOG
10. April 1332 NGZ
In der Raumstation war es still geworden. In den sechs Sektoren und der Kommandospindel war jedes Leben erloschen. Wo Stimmen getönt hatten, herrschte jetzt Friedhofsruhe.
Kommandant Kellborn saß in der Einsamkeit der leeren Zentrale und starrte auf das Holodisplay, in dem Bart Spurr feurig loderte und mit brennenden Armen nach der Station griff. Die Temperatur war auf 50 Grad gestiegen, aber er spürte die Hitze nicht.
Das Ende des Weges, dachte er. Nach all den Jahren habe ich es erreicht.
„Du hättest mit uns kommen sollen", drang Lilien Obrachts Stimme aus dem Funkempfänger.
Prasseln und statisches Rauschen verzerrten ihre Stimme. „Dieses Opfer ... es ist so sinnlos."
„Ich bin der Kommandant", erinnerte Kellborn. „Ich lasse mein Kommando nicht im Stich." All die Toten, dachte er. All die Wesen, die ich nicht retten konnte ...
Er war es ihnen schuldig, dass er blieb. Vielleicht war er nicht direkt für ihren Tod verantwortlich, doch er trug trotzdem die Verantwortung. Sie hatten ihm vertraut, und er hatte dieses Vertrauen grausam enttäuscht.
Mit müden Augen verfolgte er im Holodisplay, wie sich der Ortungsreflex des Springerboots langsam von der Raumstation entfernte. Die Reparatur der Schäden, die beim Kampf zwischen der Stationspolizei und Traminers Syndikatsleuten entstanden waren, hatte länger gedauert als erwartet, aber jetzt war das Schiff unterwegs nach Lepso. Mit mittlerweile dreißig Crew-Mitgliedern und den beiden letzten überlebenden Passagieren des CASINO UNIVERSO: Sgarde Norte und Stay Kalgandir – mehr hatte er nicht retten können.
Über eintausendzweihundert lebende, denkende, empfindende Wesen waren gestorben. Ein schrecklicher Blutzoll.
Aber diese zweiunddreißig waren gerettet worden. Auch der Chefingenieur.
Nie würde er den Ausdruck ungläubigen Erstaunens vergessen, als er es Allister gesagt hatte. Immerhin. Er hatte nicht völlig versagt.
„Ich werde dich nie vergessen, Kellborn", flüsterte Lilien. Sie schluchzte leise. „Niemals."
„Ich bin ein alter Mann", erwiderte der Kommandant. „Ich habe mein Leben gelebt. Du sollst nicht um mich weinen."
Er schloss einen Moment die Augen. „Viel Glück, Lilien", murmelte er.
Sie sagte etwas, aber ihre Antwort ging im statischen Rauschen unter. Das Rauschen wurde stärker und machte jede Verständigung unmöglich. Er streckte die Hand aus und beendete die Verbindung. Das Ende des Weges, dachte er wieder. Erschöpfung kroch in ihm hoch, eine Müdigkeit, die nichts Körperliches an sich hatte, sondern die seine Seele umfasste. Er hatte ein langes Leben gehabt, ein gutes Leben, auch wenn nicht all seine Träume
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