2235 - Todesspiele
sagte Jerome, als es still geworden war.
Seine Augen glänzten wie im Fieber. Und als Sgarde den Kopf hob, sah sie dieses Fieber auch in den Augen der anderen brennen. Sie schauderte. Rogolov Traminer mochte tot sein, aber der Wahnsinn, der ihn befallen hatte, hatte sich wie ein bösartiges Virus in der Station ausgebreitet und alle infiziert. „Sechs Patronenkammern", fuhr Jerome fort, „und eine Patrone." Es klang fast lüstern. „Die Spieler halten sich abwechselnd die Waffe an den Kopf und drücken ab. Gespielt wird bis zum Tod." Russisches Roulette, dachte Sgarde.
Sie blickte auf und sah Stay Kalgandir an, und der Schmerz und die Liebe in seinem Gesicht rührten ihr Herz. Er sorgte sich um sie. Zum ersten Mal in ihrem Leben sorgte sich ein Mann um sie, statt sie zu benutzen, und es war ein gutes Gefühl, selbst jetzt, da sie den Tod vor Augen hatte. Der Überschwere schnaufte und starrte sie auffordernd an. Schweiß rann in Bächen über sein breitflächiges Gesicht.
„Das Spiel", verkündete Jerome, „beginnt ...jetzt."
Atemlose Spannung befiel die Zuschauer. Stay Kalgandirs Mund formte lautlose Worte, und sie las die Worte von seinen Lippen ab.
Du schaffst es. Du wirst gewinnen.
Sgarde straffte sich. Er hatte ihr von seinem Gespür für das Kommende erzählt, seiner quasipsionischen Fähigkeit, die Zukunft zu erahnen, und sie vertraute ihm. Sie griff nach der antiken Waffe und drückte sie an ihre Schläfe.
Furchtlos.
Ich liebe dich, Stay, dachte sie. Dann betätigte sie den Abzug.
Klick.
Der Überschwere stöhnte enttäuscht auf. Die Zuschauer keuchten.
Sgarde legte die Waffe bedächtig auf den Tisch und verfolgte mit einer seltsamen, unerklärlichen Ruhe, wie der Überschwere mit bebender Hand die 45er Smith &Wesson nahm und sie zu seinem Kopf führte. Er sah Sgarde an, und in seinen Augen war nackte Angst. Er blickte in die Mündung der antiken Pistole, kniff dann die Lippen zusammen, hielt die Waffe entschlossen an seinen Schädel ... und drückte ab.
Der Schuss war wie ein Donnerschlag.
Blut spritzte und benetzte Sgardes Gesicht. Der Überschwere fiel vom Stuhl und schlug hart auf dem Boden auf, die antike Waffe noch immer in seiner verkrampften Hand. In seinem Kopf klaffte ein großes Loch.
Die Zuschauer johlten und pfiffen.
„Wir haben eine Gewinnerin!", schrie Jerome begeistert. Er packte Sgardes Hand und riss sie triumphierend hoch. „Eine Gewinnerin!"
Sgarde entzog ihm ihre Hand, noch immer von dieser tiefen, eisigen, unnatürlichen Ruhe erfüllt, und sah den toten Überschweren an. Sie kannte nicht einmal seinen Namen. Das, flüsterte eine Stimme in ihr, ist der Preis für dein Leben.
Sie sprang auf, angewidert und entsetzt, und schluchzte. Alles drehte sich um sie. Sie stolperte, schwankte, drohte zu stürzen, aber dann war Stay zur Stelle und fing sie auf. Er nahm sie in die Arme, und sie klammerte sich an ihn.
„Es ist gut", flüsterte er. „Du hast gewonnen. Du lebst."
Er hatte Recht. Sie lebte. Doch es war für sie nur die erste Runde gewesen, keine endgültige Entscheidung. Weitere Runden würden folgen. Die Todesspiele würden weitergehen, bis von den über tausend Gästen des UNIVERSO CASINO nur noch zweiunddreißig Personen übrig waren. Und Sgarde fragte sich, ob sie am Ende der Spiele so verrückt sein würde wie Rogolov Traminer.
14.
8. April 1332 NGZ, 13:56 Stationszeit
Der Tod ging um in der Raumstation, still und heimlich oder laut und blutig, und er holte alle aus dem Leben. Jene, die Pech im Spiel hatten, und jene, die längst resigniert und sich für eine der kleinen tödlichen Pillen aus dem Bordlazarett entschieden hatten.
Die Tragödie nahm unerbittlich ihren Lauf.
Thau der Magier saß an einem der Würfeltische im Weißen Casino, und während um ihn herum an den anderen Tischen die Angehörigen von einem Dutzend Völkern verzweifelt um ihr Leben spielten, war er völlig ruhig, von einer tiefen, unerschütterlichen Gelassenheit erfüllt.
Ein Schuss donnerte durch das Casino, gefolgt vom dumpfen Poltern eines Körpers, der hart auf dem Boden aufschlug, aber Thau hob nicht den Kopf, um zu dem anderen Tisch hinüberzublicken, an dem russisches Roulette gespielt wurde.
Ein weiterer Konkurrent ausgeschaltet. An mehr dachte der Magier nicht.
Er konzentrierte sich weiter auf seinen Gegner, einen schlanken, fast dünnen Arkoniden mit weißblonder Haarmähne und rötlichen Augen, der mit fahrigen Handbewegungen den Würfelbecher
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