226 - Das Schädeldorf
dass noch lange bevor der postapokalyptische Winter nach dem Kometeneinschlag zu Ende ging, eine größere Gruppe versprengter Überlebender zu dem Tunnelvolk gestoßen war. Ihrem Einfluss war es zu verdanken, dass ein Drittel der Tunnelgemeinschaft aufhörte, Menschenfleisch zu essen. Sie separierten sich mit den Neuankömmlingen und verließen mit ihnen das Tunnelsystem, als die Erdoberfläche wieder bewohnbar wurde.
Bruder Nummer 1, wie sich Ytim’len nannte, blieb bei den Kannibalen, um sie zu bewachen. Sie und den Zugang zu Karsi’signak, der in seinem kranken Verstand zu einem religiös verbrämten »Heiligen Ort« geworden war.
Lange nachdem Ytim’len seine Geschichte erzählt hatte, bot Gilam’esh ihm an, ihn durch eine Geistverschmelzung zu heilen. Der Quan’rill willigte dankbar ein.
***
Es waren drei, die aus dem Erdloch gekrochen kamen und sich mit Spießen und Messern dem zitternden Soon Than näherten. Der hatte seine Knack- und Schnalzgeräusche der Hydritensprache eingestellt, mit denen er die Wächter der vermeintlichen Monster nach oben gelockt hatte. Jetzt klapperte er nur noch mit den Zähnen. »Wo bleibt ihr?«
Irritiert schauten sich die Wesen an. Gleichzeitig brachen Matt und Aruula aus dem Bambusdschungel und schlugen die Ahnungslosen nieder. Matt schaute sich einen von ihnen genauer an. Er sah wirklich zum Fürchten aus. Wie ein nachgestellter Neandertaler aus einem schlechten Film, dachte er.
»Ich werde euch nicht nach unten begleiten!« Soon Than stand der Schweiß auf seiner Stirn. »Tut mir leid!«
»Schon gut, du hast uns genug geholfen!« Matt klopfte dem Alten auf die Schulter. »Wenn alles gut geht, sehen wir uns später!« Damit verließ er Soon und folgte Aruula in den Schacht. Unten angekommen, schlichen sie einen von Fackeln erleuchteten Gang entlang. Aus der Ferne drangen Stimmen zu ihnen. Als der Gang sich verzweigte, wandten sie sich in die Richtung, aus der die Stimmen kamen.
Plötzlich duckte sich Aruula und gab Matt ein Zeichen, es ihr gleichzutun. Ihre Hand deutete auf eine gegenüberliegende Wohnhöhle. Im Inneren kauerten Frauen und Kinder dicht aneinander gedrängt. Aus glänzenden Augen schauten sie ängstlich zu Matt und Aruula herüber. Das waren vermutlich die entführten Dorffrauen, von denen Soon gesprochen hatte. Nachdem Aruula ihnen mit einem Finger auf den Lippen bedeutete, sich still zu verhalten, nickten sie stumm.
Vorsichtig schlich das Paar weiter. Wieder eine Verzweigung. Die Stimmen waren jetzt deutlich zu hören. Matt spähte um die Ecke. Der Gang mündete dort in eine kleinere Höhle, in der sich ein halbes Dutzend der Monsterleute befanden. Zwei von ihnen stritten sich um irgendeinen Stofffetzen. »Mir gehört er!«, rief einer. Matt kam aus dem Staunen nicht mehr heraus: Auch diese Neandertaler sprachen ein rudimentäres Französisch!
Aruula berührte ihn an der Schulter und deutete geradeaus. Dort brannte ein Lagerfeuer, hinter dem sich eine kuppelförmige Höhle abzeichnete. Matt machte einen Schritt in die Richtung und hoffte, dass sie der Aufmerksamkeit der streitenden Höhlenbewohner entgingen.
Doch erhoffte vergeblich! »La, la!«, keifte eine alte Frau.
Nicht nur die Monsterleute aus der kleinen Höhle sprangen auf Matt und Aruula zu, sondern noch ein Dutzend anderer. Wie Insekten krabbelten sie aus Ecken und Nischen des Tunnelsystems. Innerhalb kürzester Zeit war das Paar von zwei Dutzend dieser Kreaturen umringt. Es waren zu viele. Selbst für Aruulas Schwert und Matts Colt.
***
Wie es aussah, hatte die Geistverschmelzung den Mann, den Gilam’esh und Nefertari jetzt Ytim’len nannten, geheilt. Jedenfalls waren seine Augen wieder klar, und er stierte Yann nicht mehr so merkwürdig an. Ja, der Seher glaubte sogar so etwas wie ein Lächeln in dessen Gesicht zu erkennen.
»Ich werde euch erst einmal hier raus bringen«, raunte Ytim’len ihm zu.
Doch als er den Kannibalen die Freilassung der Gefangenen befahl, waren die alles andere als begeistert. Sie protestierten lautstark und trommelten mit ihren Spießen gegen die Wände. Als das nichts nutzte, rückten sie ihrem Anführer auf die Pelle.
Yann Haggard wurde es flau im Magen. Er schätzte, dass annähernd dreißig dieser hungrigen Wilden sie umringten.
»Warum willst du ihn laufen lassen?«, riefen sie. Und: »Was sind das für neue Sitten?«
»Wir werden ihn essen! Ob es dir passt oder nicht!«, knurrte der, der Nummer 6 genannt wurde. Er fuchtelte mit seinem
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