2289 - Der eiserne Finger Gottes
Schulter trug, und zupfte an seinem Gürtel. Der Beutel mit den Münzen klirrte leise, und der Griff des Messers drückte sich ein wenig in den Bauchpelz. Beruhigend. Ein schöner klarer Tag, und da es geregnet hatte, würden sich die Armen, die Bettler, die Streuner um die wenigen öffentlichen Zisternen drängen. Trotzdem - für den Knecht eines Reichen war es nicht ratsam, unbewaffnet auf den Markt zu gehen. In den Tümpel, den Lebensmorast.
Noch ein paar Stunden, sagte er sich; spätestens am Nachmittag würde alles wieder so dunstig sein wie gewöhnlich. Der beginnende Westwind, den er auf dem Fell spürte, brachte feinen Sand und Staub aus den Wüsten. Weit jenseits der Stadt, über den kahlen Gorissan-Bergen, stiegen die Rauchsäulen der Erzschmelzen in den rötlichen Himmel. Sand, Rauch und die Ausdünstungen der Stadt mit ihren hunderttausend Menschen würden bald die Kuppel wieder errichten, die die Sterne verbarg und neben Dyon nur die hellsten der sieben Monde übrig ließ.
„Was haben wir zu besorgen?" Reshaq, der ebenfalls eine Korbtasche trug, blickte von seinem Fuß auf. Die scharfe Kante des Schattens schien die vier Zehen vom dunklen Rest zu schneiden. Mit der zu lange nicht gestutzten Kralle des zweiten Zehs begann er im trockenen Gras zu scharren.
„Alles für das große Fest morgen", sagte Tum. „Und ein paar andere Dinge."
„Für das Fest? Das können wir aber gar nicht alles tragen."
„Wir werden ein paar Träger mieten."
Die verschränkten, verflochtenen Zweige der Zezo-Bäume sorgten dafür, dass die Reichen, die um den Hügel herum wohnten, der sengenden Sonne nicht unmittelbar ausgesetzt waren - wenn sie die eigenen Beine statt einer Sänfte benutzten. Diesen Vorzug genossen oft auch Bettler, die sich in den Schatten flüchteten, bis herbeigerufene Büttel sie vertrieben. Aber an diesem Morgen waren Tum und Reshaq allein.
Es gab wirklich sehr viel zu besorgen. „Hier ist ein Blatt mit den nötigen Dingen, Tum", hatte der Herr gesagt. „Gehe Er und beschaffe alles."
Er Tum grinste vor sich hin. Wenn der edle Geon-Durn von Taraon schlecht gelaunt war, redete er seinen Knecht so an. Oder wenn Tum ihn durch irgendetwas verärgert hatte. Oder wenn der Herr lange ungestört sein wollte.
An diesem Morgen war der Herr heiter gewesen, und Tum-Tawalik hatte ihn nicht verärgert. Er konnte also davon ausgehen, dass der Edle von Taraon sich ausgiebig mit seinen merkwürdigen Geräten und Berechnungen befassen wollte, oben im Haus, in den Werkräumen. Oder mit den anderen Zerstreuungen, im Keller. Unter den Knechten, Mägden und Sklaven war Tum der Einzige, der ihn dabei stören durfte. Abgesehen von Hy'valanna natürlich, aber an die wollte Tum nun nicht denken.
*
Auf dem Markt herrschte das übliche Gedränge. Die Fronbauern aus den mühsam bewässerten Gärten östlich der Stadt schrieen durcheinander und boten die Gemüse und Früchte feil, die sie dem Tempel und den Innungen nicht hatten abliefern müssen. Beben den Tischen der Schlachter pries ein Händler getrocknete oder in Salz eingelegte Fische an.
Männer, die ihre Körperfelle unterschiedlich gefärbt oder gar schraffiert hatten - wahrscheinlich Leute einer Karawane aus dem fernen Südwesten - ,hatten über mitgebrachte Böcke Bretter gelegt und darauf ihre Schätze getürmt: Salzbrocken, Säckchen mit hundert verschiedenen Gewürzen, seltene getrocknete Obstarten, Tierfelle, Krummdolche mit verzierten Griffen.
Und zwischen all den Verkäufern und Kunden, den jammernden Bettlern, quäkenden Kindern, dem Duft von Blumen und Beeren, dem Ruch schwitzender Körper, dem Gestank von faulem Fisch und mürben Sand-Algen, dem Feilschen und Rufen und Schimpfen gab es die beweglichen Inseln der Stille und Farblosigkeit: Büttel mit geschwärztem Fell, schwarzen Brustpanzern und kurzen dunklen Leibröcken, die schweigend umhergingen und alles beobachteten.
Am Rande des Marktes begann die Große Tempelgasse, die zur Grache führte. Auf den Hinterbeinen hockten dort ein paar Sirips. Sie hatten die schuppigen Schwänze um die eigenen Schultern gelegt und blickten missmutig. Man sagte, sie könnten Gedanken lesen - vielleicht war das der Grund für den Missmut. Jedenfalls wenn ihr meine Gedanken lesen könnt, dachte Tum. Er hasste die langzahnigen, mannsgroßen Echsen. Als eines der Tragetiere ihn anblickte, stellte er die Ohren auf und bemerkte, wie sich seine Schnurrborsten sträubten.
Neben einer Zisterne drängten sich
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