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2312

2312

Titel: 2312 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Stanley Robinson
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vielversprechend, aber der steile Hang war ein Problem für die Selbstreps. Swans Team hatte eine Vorgehensweise entwickelt, bei der die Fabriken sich wie Kett- und Schussfäden umeinander herumbewegten, wobei einige den Höhenlinien folgten, während andere die Hänge emporkletterten und sich dabei mit teleskopartigen Beinsäulen aufrecht hielten. Auf diese Weise gelang es ihnen, das hinter ihnen liegende Land in ein stilvolles, weißes Dorf mit ein paar Farbtupfern zu verwandeln; es würde sehr hübsch werden.
    Doch eines Morgens bog eine der Fabriken plötzlich vom Hügelkamm nach unten ab und mampfte sich erst durch einen Park und dann durch die belaubte Vorstadt Kuwadzana. Die hiesigen Aufpasser hatten den Versuch, ihren Selbstrep unter Kontrolle zu bringen, aufgegeben und sprangen von den Leitern an den Seiten in die Arme einer wachsenden Menge.
    Als Swan am Ort des Geschehens eintraf, bahnte sie sich rufend einen Weg durch die Menge und sprang unten auf eine Leiter an der Fabrik. Selbst im Amoklauf schob sich der Behemoth mit nur etwa einem Stundenkilometer voran. Swan kletterte die Leiter hoch und schlüpfte durch eine Tür in den Kontrollraum, der aussah wie die Brücke eines Schleppkahns. Er war leer. Swan ging zur Rückwand und schlug mit den Fäusten auf den Notüberbrückungsschalter. Nichts geschah; der Leviathan schob sich weiter über die Straßen und Häuser der Vorstadt, unter ihm rumpelte es wie das gedämpfte Tosen der Niagarafälle. Langsam begriff sie, warum die Wächter das sinkende Schiff verlassen hatten. Wenn die Notüberbrückung nicht funktionierte, ließ sich nichts Ersichtliches unternehmen.
    Swan setzte sich vor die Bedienungskonsole und begann schnell draufloszutippen, während sie dem Selbstrep gleichzeitig verbale Haltebefehle gab. Erst war ihr Tonfall ruhig, dann fordernd, dann schmeichelnd, dann flehend, und schließlich schrie sie vor Wut. Weder reagierte die Selbstrep-KI, noch blieb die Fabrik stehen. Irgendjemand musste sich an ihm zu schaffen gemacht haben. Das konnte nicht leicht gewesen sein. Der gewiefte Saboteur hatte sich durch mehrere knallharte Sicherheitssysteme kämpfen müssen. Swan meinte, ein paar passende Codezeilen zu kennen, aber nichts, was sie versuchte, funktionierte. »Zum Teufel auch!«, rief sie. »Warum bekommt man hier so gut wie keine technische Hilfe?«
    »Derzeit finden noch andere Attacken statt, die möglicherweise mit dieser abgestimmt sind«, informierte sie Pauline.
    »Und, kannst du mir hier irgendwie helfen?«
    Pauline antwortete: »Tippe folgenden Satz ein: ›Der Nebel in Lissabon ist dicht.‹«
    Das tat Swan, und anschließend sagte Pauline: »Jetzt kannst du die Einheit manuell steuern. Es gibt vier Kontrollen auf den Armaturen …«
    »Ich weiß, wie man das verdammte Ding fährt!«, sagte Swan. »Halt die Klappe!«
    »Deshalb kannst du nun auch bremsen.«
    Swan schimpfte auf ihren Qube und wendete dann, immer noch fluchend, die Fabrik in einem engen, bergauf führenden Bogen (was in diesem Fall einen Halbkreis von einigen Hundert Metern Durchmesser bedeutete), wobei sie über Straßen mit prachtvollen Villen an den Rändern hinwegwalzte. »Ich wünschte, das Ding würde auch andersrum funktionieren«, sagte sie rasend vor Wut. »Ich wünschte, ich könnte diesen reichen Mistkerlen hier die Bruchbuden geben, die sie verdienen.«
    »Wahrscheinlich wäre es besser, einfach anzuhalten«, bemerkte Pauline.
    »Halt die Klappe!« Swan ließ die Fabrik eine Weile durch das Viertel rumpeln und brachte sie dann zum Stehen. »Also hat man das Ding sabotiert«, sagte sie.
    »Ja.«
    »Verdammt. Und jetzt wird man uns festnehmen.«
    »Sehr wahrscheinlich«, sagte Pauline.
    Es folgte, was Swan vorhergesagt hatte. Die örtliche Regierung beschlagnahmte den beschädigten Selbstrep und verlangte die Festnahme, strafrechtliche Verfolgung und Abschiebung oder Inhaftierung derjenigen, die ihn bedient hatten. Swan wurde in Gewahrsam genommen und in einer kleinen Wohnung im Regierungsgebäude festgesetzt. Sie war nicht im Gefängnis, aber sie hatte Hausarrest, und möglicherweise würde sie zu einer Haftstrafe verurteilt werden.
    Angesichts dieser Möglichkeit verfiel sie in wütende Verzweiflung. »Man hat uns hierher eingeladen «, erklärte sie ihren Bewachern beharrlich immer wieder. »Wir haben nur versucht zu helfen . Uns trifft keine Schuld an der Sabotage.« Doch keiner der Wachleute schien ihr zuzuhören. Einer sagte etwas Unheilverkündendes von einem

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